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SOS Humanity: Einblick in die Seenotrettung auf der Humanity im Mittelmeer

Die Crew der Humanity gewährt Einblicke in die Seenotrettung im Mittelmeer. Die Führung umfasst die Brücke, Kombüse, Kabinen und Einsatzboote. Erläutert werden Rettungsabläufe, medizinische Versorgung, die Arbeit der Crew und die politische Situation. Ein besonderer Fokus liegt auf der Situation der Geretteten und den Herausforderungen der Seenotrettung.
Schiffstour Humanity: Vorstellung des Schiffs und der Crew
00:01:07Die Streamerin startet eine Schiffstour auf der Humanity und zeigt den Zuschauern ihren Arbeitsplatz. Sie betont ihre Begeisterung, den Zuschauern diesen Teil ihrer Welt zu zeigen. Nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten mit dem Mikrofon, das nicht mit dem Gimbal kompatibel ist, nimmt sie die Zuschauer mit auf einen Rundgang. Zunächst wird der Blick aus ihrem Fenster gezeigt, der den Hafen zeigt. Anschließend werden Anne und Johanna vorgestellt, die sie betreuen. Es folgt eine Außenansicht des Schiffs, der Humanity, wobei die Größe des Schiffs betont wird. Die Streamerin erwähnt kurz das Starlink-WLAN an Bord, bevor sie Inga und Nadja abholt, die ebenfalls Teil der Crew sind und an der Führung teilnehmen werden. Inga ist Teil des Engin-Teams, während Nadja für die Marine Crew zuständig ist.
Einblick in die Messe, Küche und Kabinen
00:08:55Die Führung beginnt in der Messe, dem Aufenthaltsraum, wo die Crew gemeinsam isst und Filmabende veranstaltet. Hier finden auch theoretische Trainings statt, um die Crew auf Einsätze vorzubereiten. Aktuell befinden sich 13-14 Crewmitglieder an Bord, während es im Einsatz normalerweise 29 sind. Ein kurzer Blick in die Küche zeigt, dass sie gut ausgestattet ist und über spezielle Befestigungen verfügt, um Gegenstände bei Seegang zu sichern. Es gibt auch eine direkte Verbindung zur Kombüse. Anschließend wird eine typische Zweierkabine gezeigt, die mit Kühlschrank, Tisch und Stauraum ausgestattet ist. Die Wachen auf der Brücke werden von Kapitänin, erster und zweiter Offizierin im Drei-Wachen-System übernommen, während im Maschinenraum ein Alarmsystem vorhanden ist, das bei Bedarf die zuständige Person benachrichtigt.
Vorratskammern, Kühlräume und Kombüse
00:15:02Die Tour führt weiter zur ehemaligen Mini-Messe, die nun als Lagerraum für Lebensmittel dient, insbesondere für die Zubereitung von Mahlzeiten für Gerettete. Die Vorratskammern sind gut gefüllt mit Reis, Linsen und anderen Vorräten. Es gibt auch zwei große begehbare Kühlschränke, einer für Gemüse und einer für Obst und Joghurt. Die Streamerin betont, dass viele Produkte lokal von sizilianischen Anbietern bezogen werden. Anschließend wird die Kombüse gezeigt, die gut ausgestattet ist, inklusive eines großen Reiskochers für bis zu 100 Portionen. Ein Aufzug transportiert das Essen von der Kombüse zur Messe. Die Arbeitssprache an Bord ist Englisch, und die Crewmitglieder unterstützen sich gegenseitig bei der Essenszubereitung und -verteilung. Das gleiche Essen wird sowohl für die Crew als auch für die Geretteten zubereitet.
Die Brücke und das Topdeck: Navigation und Ausblick
00:22:33Die Gruppe erreicht die Brücke, den Arbeitsbereich des Brückenteams, bestehend aus Kapitänin und Offizierinnen, ergänzt durch SAR- und Kommunikationskoordinatoren sowie Menschenrechtsbeobachter. Hier werden Schiffsbetrieb und Navigation gesteuert, Rettungsaktionen dokumentiert und Funksprüche überwacht. Ein besonderer Fokus liegt auf der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Vom Wing der Brücke aus hat man einen guten Blick auf die Gangway und die Embarkation Area, wo die Schnellboote anlegen. Anschließend geht es auf das Topdeck, das höchste Deck des Schiffs, wo Rettungswesten gelagert werden. Hier befindet sich auch der Ausguck, der ständig von einer Person besetzt ist, um nach Booten Ausschau zu halten. Zwei große Scheinwerfer werden für die Nachtsuche eingesetzt.
Einsatzboote und Rettungsablauf
00:30:20Es werden die zwei Einsatzboote, Bravo und Tango, vorgestellt, die bei Rettungsaktionen eingesetzt werden. Die Besatzung besteht aus Fahrer, SAR-Koordinator, RIP-Support, Cultural Mediator (Arabisch, Französisch) sowie Fotograf oder Journalist. Bei einer Rettung fahren beide Rips zum Boot, machen eine Einschätzung der Lage und kommunizieren diese an die Brücke. Standardausrüstung sind Rettungswesten, aber es gibt auch Horseshoe Boys, Senti-Floats und Donkey-Rafts für kritische Situationen. Nach der Lageeinschätzung wird versucht, die Menschen zu beruhigen und ihnen die nächsten Schritte zu erklären. Rettungswesten werden verteilt und die Menschen auf die Rips gebracht, wobei Bravo ca. 20 und Tango ca. 8-10 Personen aufnehmen kann. Die Personen werden dann zur Humanity gebracht. Die Dauer eines Einsatzes hängt von vielen Faktoren ab, wie Tageszeit, Wetter und Zustand des Bootes.
Embarkation Area, Registrierung und Erstversorgung
00:42:48Die Embarcation Area ist der Bereich, wo die Geretteten an Bord kommen. Hier werden sie von Pullern an Deck gezogen und in einer Resting Area willkommen geheißen. Anschließend erfolgt die Registrierung, bei der Informationen wie Anzahl der Personen, Herkunft, Minderjährige, Frauen und Kinder erfasst werden, um den Schutzbedarf festzustellen. Jeder Gerettete erhält ein Rescue-Kit mit Kleidung, Getränken, Energieriegel, Zahnbürste, Handtuch, Decke und Wärmedecke. Die Kosten für ein Kit belaufen sich auf ca. 28 Euro. Die Geretteten werden zunächst auf das Boat Deck gebracht, bevor Frauen und Kinder in einem speziellen Schutzbereich, dem Women's Shelter, untergebracht werden. Dieser bietet Platz für ca. 30 Personen und wird von weiblichen Crewmitgliedern und der Hebamme betreut. Es gibt auch einen Kindergarten.
Deckbereich, medizinische Versorgung und Hilfestellungen
00:49:26Im Deckbereich gibt es eine Teeküche, die rund um die Uhr Tee für die Geretteten bereitstellt. Crewmitglieder übernehmen in Schichten Aufgaben wie Reinigung und Betreuung und sind Ansprechpartner für medizinische Minimalversorgung, z.B. bei Seekrankheit. Der Decksbereich dient auch als Schlafplatz. Es gibt Toiletten, Duschen, Wasch- und Trinkwasserstationen. Ein Infoboard bietet Informationen in verschiedenen Sprachen zu Unterstützungsmöglichkeiten und Rechten in Italien. Diese Hilfestellungen sind wichtig, da viele Gerettete zum ersten Mal in Sicherheit sind und Unterstützung bei der Orientierung im Bürokratieapparat benötigen. Die Humanity kann bis zu 400 Menschen beherbergen, in Ausnahmefällen auch mehr. Die Route wird so schnell wie möglich zum nächsten Hafen angesteuert, aber bei Notfällen unterwegs können auch mehrere Boote gleichzeitig gerettet werden.
Umbau des Schiffs und Aktivitäten an Bord
00:55:02Das Schiff wurde umgebaut, um mehr Platz und Schutz für Personen zu schaffen, einschließlich eines neuen Toiletten- und Duschsystems. Es gibt eine kleine Bibliothek für die Leute an Bord. Aktivitäten wie Info-Sessions werden angeboten, um die Leute über ihre Rechte aufzuklären, was eine Verpflichtung bei der Aufnahme von Seenotgeretteten ist. Ein Whiteboard wird für Morning Meetings genutzt, um den Tag zu planen und Bedürfnisse bezüglich Aktivitäten zu erfragen. Es gibt auch die Möglichkeit, sich die Haare schneiden zu lassen. Ein Teil der Arbeit ist das Bezeugen, also das Dokumentieren und Weitergeben von Informationen, um die Situation im Mittelmeer nicht vergessen oder normalisiert werden zu lassen. Die betroffenen Personen können selbst entscheiden, ob ihr Foto gezeigt wird oder nicht.
Entwicklung der Care-Arbeit und politische Situation
00:58:38Die Care-Arbeit hat sich in den letzten Jahren aufgrund der politischen Situation verändert. Normalerweise sollten Gerettete zum nächstgelegenen sicheren Ort gebracht werden, aber das Piantedosi-Gesetz schreibt vor, dass nach einer Rettung sofort ein sicherer Hafen angefahren werden muss, der oft in Norditalien liegt, was die Fahrtzeit verlängert. Früher gab es diese Einschränkungen nicht und es gab keine Stand-offs, bei denen Schiffe tagelang auf die Zuweisung eines Hafens warten mussten. Diese Schikanen und Restriktionen werden von der italienischen Regierung gegen alle NGOs im Mittelmeerraum angewendet, indem Häfen zugewiesen werden, die deutlich weiter entfernt sind. SOS Humanity ist transparent darüber, wie viele Menschen gerettet wurden und welcher Hafen zugewiesen wurde.
Die Klinik an Bord: Medizinische Versorgung und psychologische Unterstützung
01:01:53Die Klinik dient der medizinischen Erstversorgung der Geretteten, wobei Menschen bei Bedarf direkt nach der Ankunft an Bord dorthin gebracht werden. Die Klinik ist den Umständen entsprechend gut ausgestattet, aber natürlich begrenzt und nicht mit einem Krankenhaus an Land vergleichbar. Für viele Menschen ist es das erste Mal seit Jahren, dass sie medizinische Versorgung erhalten. Es gibt auch eine Psychologin an Bord, die Gespräche anbietet. Ein Ultraschallgerät ist vorhanden, damit Frauen zum ersten Mal von ihrer Schwangerschaft erfahren oder ihr Kind sehen können. Häufige Verletzungen sind die Kombination aus Benzin und Salzwasser sowie Gewalterfahrungen. Das Care-Team besteht aus Care-KoordinatorInnen, ÄrztInnen, SanitäterInnen, KrankenpflegerInnen mit Notfallmedizinerfahrung, einer Hebamme, einer Psychologin, Cultural Mediator und einer Protection-Person. Die Klinik ist täglich geöffnet für medizinische und psychologische Konsultationen.
Medizinischer Notfallplan und Umgang mit Verstorbenen
01:07:28Das medizinische Team erstellt einen medizinischen Notfallplan, der aktiviert wird, wenn die Versorgung nicht mehr alleine gewährleistet werden kann. Alle nicht im Schiffsbetrieb involvierten Personen bekommen dann Rollen zugewiesen und das Deck wird in Zonen eingeteilt. Es gibt Equipment, um bewusstlose Personen aus den Schnellbooten zu holen. Bei der Rotation im letzten Jahr gab es Personen, die stark unterkühlt waren und Wasser in den Atemwegen hatten, die aber stabilisiert werden konnten. Es wird immer geguckt, wo es fehlt und was an Equipment und Teams noch benötigt wird. Bei Risikosituationen packt die ganze Crew mit an und es wird eingeteilt, wer welche medizinische Versorgung benötigt. Es gibt ein notfallmedizinisches Versorgungsschema mit den Farben rot, gelb, grün. Verstorbene können an Bord genommen werden, sofern die Kapazitäten es zulassen. Es wird versucht, die Personen zu identifizieren, um Infos an Angehörige weiterzugeben. Es gibt Organisationen, die sich um die Identifizierung von Vermissten und Verstorbenen auf der Flucht kümmern.
Vorstellung der Crew-Mitglieder und Zusammenarbeit
01:16:02Nadja arbeitet im Crewing-Team und ist für die Marine Crew verantwortlich. Sie war als Menschenrechtsbeobachterin auf Rotation und hat vorher in verschiedenen Kontexten mit Migration gearbeitet. Inga ist seit ungefähr drei Jahren bei SOS und war vorher auf anderen Seenotrettungsschiffen. Sie war in der Küche, im RIP-Team und als Matrosin tätig. Die Zusammenarbeit ist eng, auch zwischen den Organisationen, besonders bei rechtlichen Fragen. Es besteht die Möglichkeit, Personen, die sich in einem kritischen Zustand befinden, per Hubschrauber auszufliegen. Häufiger kommt es vor, dass die italienische Küstenwache mit einem Schnellboot kommt und die Leute an Bord nimmt und nach Lampedusa oder Sizilien transportiert. Die deutsche Botschaft spielt für den akuten Rettungseinsatz keine Rolle, aber für Advocacy-Arbeit gibt es andere Kommunikationswege.
Kontakt zu Geflüchteten und Möglichkeiten der Kontaktaufnahme
01:21:19Einige Crewmitglieder halten Kontakt zu Geflüchteten, auch nachdem die Rettung abgeschlossen ist. Es wird aber auch auf das Machtverhältnis hingewiesen, das man hat. Wenn man keinen direkten Kontakt möchte, kann man immer an SOS verweisen. Es gibt die Möglichkeit, sich bei Verwandten zu Hause zu melden. Da Internet nicht angeboten werden kann, gibt es die Plattform WeAreOK, wo Daten von den Geretteten gesammelt und an Angehörige per SMS verschickt werden. Die Boote, die zurückgelassen werden, werden mit dem Datum, Humanity One und einer Fallnummer markiert, damit andere Schiffe oder Flugzeuge wissen, wann die Rettung stattgefunden hat.
Abschlussworte und Fokus auf die Menschen auf der Flucht
01:27:29Es ist wichtig, dass die Situation weitergeht und dass es verschiedene Formen von Kriminalisierung von Seenotrettung und von Personen gibt, die sich auf der Flucht befinden. Der Fokus sollte auf die Menschen auf der Flucht gelegt werden, die oft in eine Opferrolle gebracht werden, was sie aber nicht sind. Diese Menschen haben so viel durchgemacht und sind stark und haben eine krasse Resilienz. Es wird auf ein zukünftiges Format im September hingewiesen, bei dem die Sicht von Betroffenen im Vordergrund stehen wird. Die Community wird für ihre Unterstützung gelobt und es wird auf die Möglichkeit von Spenden hingewiesen, insbesondere Dauerspenden, die SOS Humanity am meisten helfen. Ab 10k werden alle Spenden bis zu einem Gesamtbetrag von 10k verdoppelt. Es wird auch auf ein Praktikum für die Kommststelle ab Juli hingewiesen.
Besichtigung einer Segeljacht und Ausblick
01:41:11Es wird von der Besichtigung einer 60 Millionen Euro teuren Segeljacht berichtet, bei der die Crew nicht in die Kajüten schauen durfte. Der Besitzer der Jacht, Joey Kämpfer, hat sich erklären lassen, wie man Menschen in Seenot rettet, da er mit reichen Menschen in die Türkei aufbricht. Die Crew hat ihm erklärt, wie er ansetzt und an wen er sich meldet. Im Gegenzug gab es eine Führung auf seiner Segeljacht. Es wird ein Ausblick auf den morgigen Stream gegeben und sich für die Unterstützung bedankt. Es wird darauf hingewiesen, dass die 10.000 Euro diese Woche noch voll gemacht werden sollen und dass es Ende der Woche noch andere krasse News geben wird. Das Segelkreuzfahrtschiff war die C-Cloud Spirit.