eSport und Politik: Die Wahlprogramme im Vergleich ! kicker eSport Talk

eSport und Politik: Wahlprogramme im Fokus – Eine Analyse

eSport und Politik: Die Wahlprogramme...

Die Salonfähigkeit von Gaming und die Rolle der Politik standen im Zentrum einer Diskussion. Es ging um die Ernsthaftigkeit von Politikern im Umgang mit Gaming, die Gemeinnützigkeit des eSport, kulturpolitische Herausforderungen und die Notwendigkeit einfacher Antworten auf die Komplexität des eSports. Abschließend wurden politische Wunschszenarien für Gaming und eSport nach der Wahl erörtert.

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Begrüßung und Vorstellung der Experten

00:04:53

Patrick Bauer eröffnet den Kicker eSport Talk und begrüßt die Experten Petra Fröhlich, Chefredakteurin der Games-Wirtschaft mit über 30 Jahren Erfahrung im Gaming-Bereich, Christopher Flato vom E-Sportbund Deutschland (ESBD), der seit über zehn Jahren beruflich und ehrenamtlich im E-Sport tätig ist, und Professor Dr. Jens Junge, Direktor am Institut für Ludologie und Mitbegründer des E-Sportverbandes in Schleswig-Holstein. Die Experten werden ihre Perspektiven zu den Wahlprogrammen der Parteien und der Bedeutung von Gaming und E-Sport einbringen. Bauer betont, dass das Durchschnittsalter der Gamer bei 36,4 Jahren liegt und der Anteil der Gamer über 50 stetig wächst, was die öffentliche Wahrnehmung von Gaming beeinflusst. Es wird die Frage aufgeworfen, ob die Politik das Potenzial und die Bedeutung von Gaming und E-Sport unterschätzt, was als Leitlinie für den Abend dient. Petra Fröhlich beleuchtet die Entwicklung des Gaming in Deutschland und die veränderte politische Diskussion, die durch Ereignisse wie Angela Merkels Besuch auf der Gamescom 2017 und die Bundesförderung von Computerspielen seit 2019 geprägt ist. Trotz Fortschritten gibt es weiterhin Baustellen wie die Gemeinnützigkeit im E-Sport.

Salonfähigkeit von Gaming und die Rolle der Politik

00:12:06

Christopher Flato ergänzt, dass Gaming durch die Corona-Pandemie salonfähiger geworden ist und die deutsche Identität sich traditionell schwer mit Neuerungen tut. Er betont, dass frühe deutsche E-Sport-Größen lange gegen Stigmata ankämpfen mussten, während Gaming nun zunehmend in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Jens Junge erklärt, dass neue Phänomene oft als gefährlich betrachtet werden, wie Comics in den 1950er Jahren. Er erinnert an die Anfänge des digitalen Spielens in den 1970er Jahren und kritisiert, dass Gaming oft als reiner Kinderkram abgetan wird. Junge fordert eine differenziertere Betrachtung der Wachstumsbereiche im Gaming, insbesondere im Mobile-Bereich, und eine ehrliche Analyse der Branche. Petra Fröhlich kommentiert Bilder von Politikern, die sich im Wahlkampf mit Gaming beschäftigen, und betont, dass dies oft Show ist, auch wenn es wertvoll sein kann, wenn Politiker sich vor Ort informieren und mit Branchenvertretern sprechen. Christopher Flato ergänzt, dass es viele Politiker im Hintergrund gibt, die an Gesetzesentwürfen mitarbeiten, aber in der öffentlichen Wahrnehmung oft nicht sichtbar sind. Er wünscht sich, dass Politiker sich mehr Zeit nehmen, um Gaming selbst zu erleben und die damit verbundenen Gefühle zu verstehen.

Politiker und Gaming: Ernsthaftigkeit vs. Show und die Gemeinnützigkeit des E-Sports

00:19:30

Die Diskussion dreht sich um die Ernsthaftigkeit des politischen Interesses an Gaming. Jens Junge merkt an, dass Berufspolitiker oft zu wenig Zeit für Hobbys haben, aber durch ihr Umfeld und Medienereignisse mitbekommen, dass sie sich um Gaming kümmern müssten. Petra Fröhlich betont, dass es wichtiger ist, dass Politiker sich über die Hintergründe informieren und mit Branchenakteuren sprechen, anstatt selbst zu gamen. Sie lobt Robert Habeck, der sich in einem Twitch-Stream mit Hand of Blood ausgetauscht und daraufhin das Wahlprogramm der Grünen angepasst hat, um die Gemeinnützigkeit des E-Sports explizit zu formulieren. Christopher Flato kritisiert, dass trotz eines Branchendialogs im BMWi die Gemeinnützigkeit nicht von Anfang an im Wahlprogramm der Grünen stand. Die Experten diskutieren, ob die E-Sport-Szene für Politiker wahlentscheidend ist und ob das Thema Gemeinnützigkeit in der Ampelkoalition geopfert wurde. Sie betonen, dass viele Politiker zwar grundsätzlich dafür sind, aber bürokratische Hürden und Zuständigkeitsfragen die Umsetzung verhindern. Die Experten fordern die neue Regierung auf, das Thema Gemeinnützigkeit schleunigst aufzunehmen, da es sonst lächerlich werde.

Die Bedeutung der Gemeinnützigkeit für den E-Sport und die Rolle der Vereine

00:39:51

Christopher Flato erklärt, warum die Gemeinnützigkeit für den E-Sport so wichtig ist, insbesondere für den Amateurbereich. Er betont, dass Vereine ohne Gemeinnützigkeit nicht voll handlungsfähig sind, da sie nicht auf bestimmte Mittel zugreifen können, höhere Steuern zahlen müssen und Schwierigkeiten haben, städtische Einrichtungen zu nutzen. Der größte Knackpunkt liegt laut Flato in der fehlenden Synergie zwischen traditionellem Sport und E-Sport. Viele Sportvereine würden gerne E-Sport-Abteilungen aufnehmen, riskieren aber ihren Gemeinnützigkeitsstatus, da dieser zweckgebunden ist. Flato plädiert für eine Sportfiktion für den E-Sport, um diese Synergien zu nutzen und die Wertevermittlung und das Miteinander im Sportverein auch im E-Sport zu ermöglichen. Jens Junge ergänzt, dass Übungsleiter im Moment nicht vergütet werden können und Vereine oft in kruden Konstrukten arbeiten müssen. Er kritisiert, dass Deutschland, das Land der Vereine, es nicht schafft, E-Sport in seine etablierten Strukturen zu integrieren, obwohl Spielen ein wichtiger Bestandteil des Menschseins ist. Junge erklärt dies mit der deutschen Arbeitsethik und dem Protestantismus, die Arbeit als Pflichterfüllung sehen und Spiel als etwas Abtrünniges betrachten. Er fordert ein Umdenken und die Anerkennung von Spiel als kreative Quelle für Innovationsprozesse.

Kulturpolitische Herausforderungen und die Rolle von Spielen

00:49:18

Es besteht weiterhin ein erheblicher kulturpolitischer Bedarf, Spiele als mehr als nur Zeitverschwendung oder Kinderkram anzuerkennen. Viele Förderprogramme und politische Reden betonen den Nutzen von Spielen lediglich im Kontext von Serious Games oder als Sprungbrett für 'richtige' Berufe in anderen Industrien. Dabei wird oft übersehen, dass Spiele wertvolle Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikation und Reflexionsvermögen fördern. Es wäre wünschenswert, wenn Unternehmen und Bildungseinrichtungen Spiele als Instrument zur Persönlichkeitsentwicklung und zur Förderung von Spaß und positiver Energie stärker wertschätzen würden, insbesondere in Anbetracht der aktuellen Krisensituationen. Spielen formt Charaktereigenschaften und lehrt wichtige Lektionen wie Siegen und Verlieren, emotionale Stabilität und Kompromissbereitschaft. Es ist wichtig, dass Bildungspolitiker und Pädagogen die Bedeutung von Spielen erkennen und in ihre Arbeit integrieren, um Sozialisation, Empathie und variantenreiches Denken zu fördern. Spiele können sogar als Therapieansatz für eine demokratische Gesellschaft dienen, indem sie Entscheidungsfreiheit, Optimismus und die Fähigkeit zur Lösung von Herausforderungen vermitteln.

Komplexität des E-Sports und die Notwendigkeit einfacher Antworten

00:56:09

Die Komplexität des E-Sports führt dazu, dass viele Interessengruppen involviert sind, was die Entscheidungsfindung erschwert. Obwohl Deutschland einst führend im E-Sport war, hat das Land aufgrund politischer Versäumnisse den Anschluss verloren. Es ist wichtig, dass die E-Sport-Community in Deutschland die gesellschaftliche Bedeutung des E-Sports klarer kommuniziert und aufzeigt, warum eine Förderung notwendig ist. Im Vergleich zu etablierten Branchen wie der Automobilindustrie ist die Gaming- und E-Sports-Branche noch jung und muss sich erst noch die notwendigen Voraussetzungen erarbeiten. Es gibt zwar bereits Fortschritte, wie die Gründung von Verbänden und die Etablierung von E-Sports-Visa, aber es besteht noch erheblicher Nachholbedarf. Die unterschiedlichen Perspektiven innerhalb der Branche erschweren es, einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden und die Bedeutung des großen Ganzen zu erkennen. Im Vergleich zum Game-Verband, der sich seit vielen Jahren gut organisiert hat, steht der E-Sport noch am Anfang seiner Entwicklung.

Widersprüchliche Botschaften und die Definition von E-Sport

01:03:57

Die Botschaften zum Thema E-Sport sind oft widersprüchlich, da unter diesem Begriff eine große Bandbreite an Aktivitäten subsumiert wird. Es ist wichtig zu definieren, worüber man spricht, wenn man sich mit E-Sport auseinandersetzt, da die Politik wissen muss, für wen sie sich einsetzt. Die Spielehersteller sehen die Gemeinnützigkeit des E-Sports nicht als Top-Priorität an, obwohl sie für die Community von großer Bedeutung wäre. Es besteht die Sorge, dass eine Förderung des E-Sports zu negativen Entwicklungen führen könnte, wie z.B. die Gründung von Call of Duty-Teams mit minderjährigen Spielern. Es mangelt an Akzeptanz für die digitalisierte Lebenswelt und an einer großen Vision des gemeinsamen Spiels, das im E-Sport und Gaming stattfindet. Es braucht ein Leitmotiv, das die Bedeutung des Spiels für die Persönlichkeitsentwicklung hervorhebt, um viele Probleme zu lösen. Digitale Spiele sind ein Gesellschaftsphänomen, ähnlich wie Sportspiele in früheren Industrialisierungsphasen. Es ist wichtig, Kräfte zu bündeln und das Urphänomen des Spielens in den Vordergrund zu rücken.

Politische Unterstützung und die Notwendigkeit eines langen Atems

01:12:22

Es ist wichtig, stetig an der politischen Unterstützung für Games und E-Sport zu arbeiten, auch wenn es Rückschläge gibt. In der Politik konkurriert man mit vielen anderen relevanten Themen, daher ist es wichtig, sich Gehör zu verschaffen und im Wahlprogramm stattzufinden. Grüne, FDP und CDU haben das Thema in ihren Programmen aufgegriffen, wobei die CDU eine bemerkenswerte Formulierung zur Förderung der breiten E-Sport-Landschaft enthält. Es gibt jedoch auch eine Fokusverschiebung hin zu besseren Rahmenbedingungen für die gesamte Wirtschaft anstelle von direkten Zuschüssen für einzelne Branchen. Die SPD geht nicht gesondert auf E-Sport ein. Wahlversprechen sind das eine, aber was im Koalitionsvertrag steht, ist das andere. Es wäre wünschenswert, wenn das Thema Sportfiktion im Koalitionsvertrag erwähnt wird, um eine realitätsnahe Lösung für die Gemeinnützigkeit zu finden. Aktuell finden keine Gespräche mit den Parteien statt, da Wahlkampf ist. Nach der Wahl werden die Gespräche wieder aufgenommen, um das Thema zu platzieren.

Politische Wunschszenarien für Gaming und E-Sport nach der Wahl

01:30:22

Ein Hauptwunsch ist die Überwindung der Zersplitterung der Zuständigkeiten und die Schaffung eines zentralen Games-Ministeriums, das alle Kompetenzen bündelt. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für den E-Sport ist ein wichtiger Hebel, um die Amateurszene in Deutschland zu fördern. Die kommende Bundesregierung sollte unter Beweis stellen, dass sie die Lebensrealität der jüngeren Generation anerkennt und unterstützt. Es ist wichtig, diesen Grundstein zu legen, bevor weitere Themen in Angriff genommen werden. Generell sollte das Thema Spiel kulturpolitisch und wissenschaftspolitisch mehr ernst genommen werden. Es braucht eine Disziplin für Spielwissenschaft und eine aktive Förderung von Forschungsprojekten. Die deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ignoriert das Thema Spiel aktuell. Es ist wichtig, dass das Thema Spiel als wichtig für die gesellschaftliche Entwicklung angesehen wird. Mehr spielen und wählen gehen!