Immer mehr Frauenhass & Femizide: Tut die Politik zu wenig? I Politik & wir mit CDU, Expert:innen, Betroffenen und @carinapusch @herrhaerter

Gewalt gegen Frauen: Ursachen, Folgen und Lösungsansätze im Fokus

Immer mehr Frauenhass & Femizide: Tut...
ARD
- - 02:16:49 - 4.731 - Just Chatting

Die Sendung analysiert die Zunahme von Gewalt gegen Frauen, beleuchtet Ursachen wie wirtschaftliche Abhängigkeit und Hass im Netz. Betroffene schildern ihre Erfahrungen. Expert:innen fordern mehr staatliche Unterstützung, Sensibilisierung der Justiz und Täterarbeit. Es wird diskutiert, ob Femizid als Mordmerkmal verankert werden soll und wie Spanien Gewaltprävention umsetzt.

Im Schnitt wird alle drei Tage eine Frau vom Partner oder Expartner getötet. Morde an Frauen – aus Hass auf Frauen – werden mehr. Hinzu kommt: alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen häusliche Gewalt. Das gesellschaftliche Klima scheint rauer geworden zu sein gegenüber Frauen. Was kann die Politik dagegen tun? Wie können wir Frauen besser schützen und was hilft, um das Gewalt-Problem bei Männern anzugehen? Wir haben diskutiert mit Claudia Igney von dem Verein "Frauen gegen Gewalt" und Lilia Usik von der CDU Berlin. Außerdem mit dabei: Carina Pusch, die sexistische Gewalt online erlebt hat und HerrHaerter, der als Lehrer gegen Frauenfeindlichkeit bei jungen Menschen ankämpft.

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Einführung in die Thematik und Vorstellung der Gäste

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00:09:57 Schön, dass ihr da seid. Jeden zweiten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Ex-Partner oder Partner umgebracht. Alle drei Minuten wird ein Mädchen oder eine Frau Opfer von häuslicher Gewalt. Und es sind 140 Frauen, die jeden Tag in Deutschland Opfer einer Sexualstraftat werden. Die Zahlen des BKA zeigen, dass Mädchen und Frauen zunehmend die Zielscheibe von Gewalt sind. Und deshalb fragen wir heute, was muss passieren, damit sich das ändert. Hier im Studio bei mir sitzt Claudia Igney.

00:10:26 vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen. Sie arbeiten seit sehr, sehr vielen Jahren in dem Bereich, kennen viele Geschichten, wissen, was schief läuft. Und Lilia Uzik ist da, Mitglied im Abgeordnetenhaus in Berlin für die CDU, ist jugendpolitische Sprecherin. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ideen, wie man denn junge Leute, junge Männer davon abbringt, überhaupt erst gewalttätig zu werden. Wir haben noch weitere Gäste, die sich später zuschalten werden. Wir sprechen mit...

00:10:52 Frauen, die selber Opfer von Gewalt wurden. An dieser Stelle eine kleine Triggerwarnung-Chat. Das wird also auch Beschreibungen von Gewalt geben. Carina Pusch wird später noch zugeschaltet sein, die von ihrem Beef mit ApoRed erzählt, beziehungsweise mit welchem Hate sie danach konfrontiert war. Wir schauen auf die Täter, auf die Männer. Das ist ja eigentlich ein Männerproblem, über das wir hier heute sprechen. Und wir schauen am Schluss auch noch auf ein Land.

00:11:18 in dem einiges besser läuft in diesem Bereich. Das schalten wir zu unserer Korrespondentin nach Spanien. Aber das ist wie immer euer Stream-Chat und mich interessiert, was ihr denkt, eure Meinung. Also schreibt mir, schaltet euch per Video dazu. Und als erstes würde mich interessieren, in welchen Bereichen oder Situationen euch auffällt, dass Frauen Zielscheibe von Hass werden. Habt ihr das Gefühl, der Ton ist rauer geworden?

00:11:47 in der Gesellschaft insgesamt. Ich schaue schon mal auf ein paar Reaktionen hier im Chat.

00:11:57 Also ein Kommentar schon mal. Würde auch gerne erfahren, inwiefern Frauen hast du mit wirtschaftlichen Faktoren zusammenhängt, gerade zum Beispiel im Gespräch mit Frauen, die in sozial prekären Verhältnissen sind. Man sieht ja sonst eher privilegierte Frauen leider. Und dann ist hier noch ein Kommentar. Leonie.

00:12:19 fehlende Frauenhausplätze fällt ihr zum Thema ein. Auch darüber werden wir sprechen. Zum ersten Kommentar natürlich auch. Wem betrifft das? Gibt es Bereiche, wo Gewalt besonders häufig auftaucht? Aber zunächst mal zu den Zahlen. Ich hatte eingangs gesagt, die BKA-Zahlen gehen nach oben. Letztes Jahr wurde zum ersten Mal ein Lagebild veröffentlicht. Hier nochmal ein paar Zahlen aus diesem Lagebericht.

00:12:52 Davon wurden 155 Frauen vom Partner oder Ex-Partner getötet. Das heißt, im Durchschnitt wird fast jeden zweiten Tag eine Frau vom Partner oder Ex-Partner umgebracht. 180.715 Frauen wurden außerdem Opfer von häuslicher Gewalt. Das ist ein Anstieg von 5,6% und bedeutet, dass im Schnitt alle drei Minuten eine Frau oder ein Mädchen häusliche Gewalt erlebt.

00:13:21 Wir zeigen die Grafik gleich nochmal, weil am Anfang der Ton nicht richtig war. Genau, jetzt nochmal von vorne. Im Jahr 2023 gab es 360 Femizide. Davon wurden 155 Frauen vom Partner oder Ex-Partner getötet. Das heißt, im Durchschnitt wird fast jeden zweiten Tag eine Frau vom Partner oder Ex-Partner umgebracht.

00:13:44 180.715 Frauen wurden außerdem Opfer von häuslicher Gewalt. Das ist ein Anstieg von 5,6 Prozent und bedeutet, dass im Schnitt alle drei Minuten eine Frau oder ein Mädchen häusliche Gewalt erlebt. Also da sehen wir es nochmal. Es gibt einen Anstieg. Frau Usig, wie erklären Sie sich das? Warum sind die Zahlen nach oben gegangen?

Ursachen und Hintergründe des Anstiegs von Gewalt gegen Frauen

00:14:07

00:14:07 Vielen Dank nochmal für die Einladung und für die Möglichkeit, dass wir über dieses wichtige Thema heute sprechen. Da sind ja mehrere Faktoren, mehrere Gründe, warum die Zahlen jetzt angestiegen sind. Also zum einen geht es darum, dass mehrere Frauen jetzt Anzeigen auch erstatten, weil wir haben jetzt auch viele Kampagnen wie MeToo oder wir haben auch die Auswirkungen der Istanbul-Konvention, dass bei vielen Frauen endlich dieser Gedanke kommt, okay, da stimmt was nicht und ich kann da auch mich schützen, ich kann mich wehren. Das war nicht immer so und damit ist auch vorbei.

00:14:36 Und dass die Zahl der Anzeigen damit gestiegen ist. Und beim ersten Kommentar wurde schon auch Wirtschaftsfaktor angesprochen, dass auch vor allem bei Pandemien, bei Krisensituationen, bei wirtschaftlicher Abhängigkeit auch sehr häufig der Fall ist, dass Frauen wegen dieser Abhängigkeit Gewalt erleben. Und wenn sie sich dann rausholen wollen, dann müssen sie natürlich auch Anzeige erstatten. Und der dritte Grund ist, glaube ich, der gestiegene Hass im digitalen Raum zum Beispiel.

00:15:06 Wir erleben Cyberstalking, wir erleben auch Sextorting, wir erleben all das, was noch vor zehn Jahren nicht der Fall war, nicht möglich, weil nicht denkbar war. Und damit ist auch diese gestiegene Zahl der Straftaten verbunden und der Gewaltsituation.

00:15:24 Sind Sie das genauso? Also ich würde da gerne nochmal unterscheiden. Das sind ja Zahlen aus dem Hellfeld. Also das ist das, was der Polizei bekannt wird. Also zumindest der ganze Bereich häusliche Gewalt, Partnerschaftsgewalt. Da wurde hier das Hellfeld abgebildet. Und wir haben ja noch ein riesengroßes Dunkelfeld. Also all diese Frauen, die keine Anzeige erstatten. Natürlich beim Femizid, wenn eine Frau getötet wird, dann gibt es Ermittlungen und in der Regel auch eine Aufklärung. Aber all die vielen Fälle.

00:15:52 die im Dunkelfeld bleiben. Es gibt ja Dunkelfeld-Studien, die sind zum Teil sehr alt. Also im Moment läuft eine ganz neue Studie im BKA und wir hoffen, Ende des Jahres gibt es neue Zahlen. Aber die letzte repräsentative Studie hat gesagt, dass ein Viertel aller Frauen irgendwann in ihrem Leben schon mal häusliche Gewalt erlebt hat, also Gewalt durch ihren Ex-Partner oder Partner.

00:16:13 Und sozusagen das Hellfeld ist die Spitze des Eisberges, das, was angezeigt wird. Und man kann nicht genau sagen, welche Gründe es dafür gibt. Also ich würde sagen, wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beiden. Also dass Frauen sich eher trauen und inzwischen mehr ermutigt sind, auch Anzeige zu erstatten, sich Unterstützung zu holen, auch bei Polizei und Justiz.

00:16:34 Und es kann aber auch sein, dass es wirklich ein realer Anstieg von Fällen ist. Das wissen wir nicht. Und interessant, der Kommentar ging auch in die Richtung, dass es nur privilegierte Frauen betrifft. Aber da kann ich nicht zustimmen, weil es kann absolut jede Frau betreffen aus jedem beruflichen Feld oder aus allen möglichen sozialen Umfelden. Das heißt, es ist ja nicht irgendwie nur die Situation, die Frauen aus sozial Benachteiligten oder eben umgekehrt aus anderen Verhältnissen betreffen, sondern jede kann betroffen werden.

00:17:04 Sie haben auch gerade schon Hass im Netz angesprochen, darüber sprechen wir später auch. Und auch natürlich, in welchem Klima Gewalttaten entstehen.

00:17:15 Schauen wir uns auch noch an, es gibt Umfragen, das Frauenbild tatsächlich, also mich hat das total schockiert, wie ein Teil der Gesellschaft tatsächlich über Frauen heute denkt. Wir denken, wir sind in einer emanzipierten Gesellschaft. Es gibt eine Autorin, die die Theorie hat, sie nennt das feministisches Paradox, je stärker Frauenrechte werden, desto stärker geraten sie unter Druck. Das ist so ihre Interpretation davon, warum quasi Feminismus und Gewalt gegen Frauen auch manchmal zusammen.

Erfahrungsbericht einer Angehörigen und politische Einordnung

00:17:43

00:17:43 zusammen größer wird. Ich möchte einmal starten quasi mit der extremsten Form von Gewalt an Frauen, den Femiziden. So nennt man das, wenn eine Frau umgebracht wird, weil sie eine Frau ist. Und deshalb ist uns jetzt Diana König zugeschaltet, die erleben musste, wie ihre Tante von dem damaligen Ehemann umgebracht wurde. Hallo, schön, dass Sie da sind. Hallo, danke schön für die Einladung.

00:18:11 Danke für Ihre Zeit. Ich frage direkt, können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Sie vom Tod der Tante erfahren haben? Was ging Ihnen damals durch den Kopf? Man spürt nichts mehr. Man glaubt es nicht.

00:18:35 Einfach nur noch geschockt. Und vor allen Dingen, weil es ja auch jemand war, der in unserem Leben war, in der ganzen Familie, auf Familienfesten, wo man gefeiert hat, einfach mit am Tisch. Und zu hören, dass er sich mit Kopfschüssen hingerichtet hat, wurde gemerkt, das kann man nicht erklären.

00:19:04 kann man auch nicht verstehen, wie man so einen Tag machen kann. Und wenn man dann die Zahlen sieht, dass es jeden zweiten Tag passiert und jeden Tag irgendwo eine Frau, während wir jetzt auch hier sitzen, alle drei Minuten von Gewalt betroffen ist, das ist schon eine Hausnummer.

00:19:29 Sie sagen, Sie waren schockiert, dass es auch jemand war, den Sie kannten, der bei Familienfesten am Tisch saß. Gab es irgendwelche Anzeichen?

00:19:38 Ja, er war halt schon von der Kontrolle her. Er hat sie immer kontrolliert. Das hat man immer dann erfahren, wenn sie ihn verlassen hat. Sie war 50 Jahre mit ihrem einzigen Mann zusammen, hat ihn kennengelernt mit 16 und als sie 66 war, hat er sie umgebracht. Und sie hatte nie einen anderen Mann, aber durch diese Kontrolle war halt auch diese...

00:20:05 Eifersucht, ja, diese Eifersucht. Sie hatten anderen, wenn sie ihn verlassen hat. Das hat er auch jedem erzählt, ob man es wissen wollte oder nicht. Das ist auch immer so das gleiche Schema. Und er war immer derjenige, der dann gelitten hat, diese Schuldumkehr, die betrieben wurde. Und so war es ja auch vor Gericht. Da war es nicht anders. Wir hatten ja zwei Prozesse.

00:20:34 Das saß da und ja, keine Regung, gar nichts. Wie haben Sie den Prozess erlebt? Ganz schlimm. Also es war das Schlimmste, was ich bisher in meinem Leben erleben musste. Im gleichen Raum mit dem Täter zu sein, der, ja, seit ich auf der Welt bin, in meinem Leben war, dem ich auch vertraut habe. Er hat mit dieser Tat...

00:21:01 alles zerstört, was man zerstören konnte, unabhängig vom Mord an meiner Tante, sondern auch das, ja, dass man anderen Menschen gegenüber einfach, ja, was das Vertrauen angeht, alles, ja, es hat das Urvertrauen zerstört. Und natürlich wurden wir gefragt, wieso hat sie ihn nicht verlassen früher und dann wird sie vielleicht noch leben, aber das ist gar nicht so einfach, weil

00:21:29 die durchlaufen, eine so schlimme Zeit, teilweise die Abhängigkeit vom Finanziellen her. Dann, wo sollen sie denn hingehen? Wenn sie bei uns war, da hat uns alle abgefahren. Das kann man so nicht sagen. Und das ist auch die schlimmste Frage, die man eigentlich jemandem, der betroffen ist von häuslicher Gewalt, stellen kann.

00:21:59 Haben Sie damals versucht, Hilfe zu bekommen? Oder wie war die Situation? Ist es irgendwie gescheitert an einigen Stellen?

00:22:06 Meine Tante, die war mehrfach im Frauenhaus und hatte auch einen Platz gekriegt. Und dann hatte sie nach dem Frauenhaus zwei, drei Wohnungen angemietet. Die eine war dann circa 300 Kilometer von uns entfernt und sie hätte es schaffen können. Aber ihr hat halt die Familie gefehlt. Sie wollte zu ihren Geschwistern, sie wollte zu uns nichten und nichten.

00:22:35 Alleine. Und dann hat sie das einfach nicht geschafft. Dann ging sie wieder zurück. Also sie ging in den 50 Jahren immer wieder zurück. Weil sie Angst hatte, dass sie es nicht schafft, finanziell. Sie war damals auch krank und hatte ihre EU-Rente noch nicht durch. Das waren alle solche Dinge, wo sie auf ihn angewiesen war.

00:22:57 Und er hat zweimal zu mir gesagt, ich wollte nicht irgendwo unter der Brücke landen. Wobei, wir hätten sie ja aufgenommen. Wir haben sie ja auch nie weggeschickt oder gesagt, pass auf, wenn du jetzt nicht von dem weg bleibst, unsere Tür ist zu. Das war ja alles nicht. Aber sie hat es nicht geschafft. Und als sie es geschafft hat, hat sie es mit ihrem Leben bezahlt.

00:23:24 Wie hat der Gutachter gesagt, sie hat sich angefangen zu emanzitieren. Und somit hat der noch Ehemann den Kontrollverlust gehabt und hat gemerkt, okay, sie kommt wirklich nicht mehr zurück. Alles, was er bis dato versucht hat, hat nicht geklappt. Sie ist nicht darauf eingegangen. Sie hat ihre Wohnung nicht aufgegeben. Sie kam nicht zurück. Und dann hat er sie erschossen.

00:23:53 Was geht Ihnen durch den Kopf, Frau Usig, wenn Sie das hören? Das ist natürlich schon eine schreckliche Situation. Danke, dass Sie das mit uns teilen. Also ich weiß, dass es jetzt für alle Familienangehörige, die so eine Tragödie erlebt haben, extrem schwierig ist, also darüber zu sprechen. Deswegen danke, dass Sie das jetzt mal auch so ansprechen.

00:24:11 Ich sehe gewisse Muster auch bei diesen Situationen, die die Opfer erleben, dass man dann sieht, diese Kontrolle kommt. Irgendwann will der Mann auch dieses Besitzgefühl irgendwie ausleben. Und sobald die Frau sagt, ich kann in solchen Verhältnissen nicht mehr bleiben, nicht mehr leben und versucht, sich zu emanzipieren, versucht zu gehen, dann kann es auch zu dieser Eskalation kommen. Sie haben beschrieben, Ihre Tantik.

00:24:40 war schon bei Frauenhäusern. Das heißt, sie hat ja schon Angebote in Anspruch genommen. Sie hat ja versucht, sich rauszuholen. Trotzdem hat es nicht geklappt. Also da ist der Punkt, wo ich da jetzt als Person, die im politischen Bereich tätig ist, also sagt, okay, der Staat muss vielleicht auch bei dieser Phase besonders, also bei dieser ganz akuten Phase auch, also nochmal mehr unter Hände greifen, dass es gerade nicht zu dieser letzten Stufe, Eskalationsstufe kommt, wo Frauen tatsächlich mit dem Leben dafür zahlen, dass man irgendwie bis jetzt...

00:25:09 hat oder sie nicht freilaufen lassen möchte. Und was sagen Sie Angehörigen, die sagen, der Staat hat meine

00:25:16 Mutter, Tante, wen auch immer, nicht geschützt? Also ich würde sagen, da sind ja schon viele Angebote, die man da hat. Und deswegen sehe ich da jetzt das als Aufgabe von uns als Gesamtgesellschaft, auch im Bereich der Justiz. Weil das kann ja alles Mögliche sein in Bezug auf gesetzgeberische Prozesse. Und wir können als Politiker viel machen und es können auch Erzieherinnen und Erzieher helfen und Lehrkräfte an den Schulen. Aber wenn wir dann auch bei Gerichtsprozessen gerade die Situation erleben, wo Rechtsanwalt...

00:25:46 Anwälte oder besorgene Personen dann anders entscheiden, die nicht so sensibilisiert sind. Da glaube ich schon, dass wir dann auch diese Sensibilisierung schaffen müssen auf allen Bereichen, auch inklusive jetzt mal wie im Krankenhaus zum Beispiel auch anerkannt wird, dass jemand Opfer von häuslicher Gewalt wurde. Sind ja alle Schichten, alle Bereiche, die jetzt involviert sein müssen, also um Bewährung zu schaffen. Was heißt das konkret? Also werden Sie dann für Fortbildungen, die man verpflichtet macht? Ja, auf jeden Fall.

00:26:15 in Bezug auf jetzt mal Rechtsanwälte und Justizbereich, da denke ich schon, dass es wichtig ist, dass wir dann bestimmte Entscheidungen re-evaluieren. Es waren Entscheidungen getroffen vor 10, 20 Jahren, die heutzutage für uns, die werden vielleicht im heutigen Leben nicht so getroffen. Und ich glaube, wir sind ja auch noch in dem Bereich Justiz, also im Bereich Jura auch, also bei Studierenden zum Beispiel noch in der Phase, wo viele Situationen oder Urteile noch

00:26:44 ein bisschen quasi veraltet sind und nicht so jetzt dynamisch mitmachen, wie unser Leben sich entwickelt, auch in diesem Bereich vor allem. Wir sprechen später nochmal genauer zu, auch weil das, was Sie fordern, auch Geld kostet. Und es wird gerade in Berlin einiges zusammengestrichen, auch beim Gewaltschutz. Aber darüber sprechen wir später nochmal. Ich würde gerne einmal eine Frage aus dem Chat mit reinholen.

00:27:08 Ich höre immer, es gibt so und so viele Femizide, aber ich finde es schwierig, in den Kontext zu setzen. Bezeichnet Femizid jeden Mord an einer Frau? Benötigt es dazu noch einen bestimmten Beweggrund? Wie ist denn da das Verhältnis zum Morden an Männern, Frau Ignay? Genau, da sind wir schon bei dem Problem, dass es immer noch keine wirklich einheitlich verbindliche Definition für Femizide gibt. Also man sagt, Femizide wird eine Frau, also...

00:27:35 Bedeutet, dass eine Frau getötet ist, weil sie eine Frau ist. Das bezieht sich aber auf die Motivation des Täters. Und bei Partnerschaftsgewalt kann man das relativ klar sagen, okay, da ist das Motiv gegeben.

00:27:50 Aber bei dem, was da in der Statistik auch dargestellt wurde, bei dem Lagebild geschlechtsspezifische gegen Gewalt gerichtete Frauen ist es so, da wurde einfach gezählt auch jeglicher Form von Tötungsversuch oder Tötung einer Frau oder eines Mädchens. Und das verwirrt die Zahlen so ein bisschen, weil da wird natürlich nicht geguckt nach der Motivation. Darunter zählen zum Beispiel auch Fälle von Tötung von Säuglingen, von kleinen Mädchen.

00:28:20 wie totgeschüttelt wird. Das kann sein, dass das aus geschlechtsspezifischen Gründen passiert, weil der Täter meint, Mädchen sind weniger wert als Jungs. Es kann aber auch schlichtweg ein komplett überforderter Elternteil sein, der mit so einem Schreikind überfordert ist, es schüttelt und einfach nur will, dass es aufhört. Und dann ist ja nicht unbedingt die Motivation da, dass das jetzt Frauenhass ist. Und deswegen würde ich sagen, muss man immer sehr genau gucken, welche Zahlen nehmen wir jetzt gerade. Also wir verwenden eher diese

00:28:49 155 getöteten Frauen im Rahmen von Partnerschaftsgewalt. Und da sagt das Lagebild 155 Frauen und 24 Männer wurden 2023 durch ihre aktuellen oder ehemaligen Partner getötet. Aber nochmal vielleicht zum Begriff Femizid. Das ist ja keine juristische Kategorie, also kein Mordmerkmal. Was würde es verändern, wenn es eins wäre?

00:29:17 Also es gibt schon inzwischen die Möglichkeit im Gesetz, dass das strafverschärfend wirkt. Also wenn eine Tat in jedweder Form, also auch häusliche Gewalt, Körperverletzung aus Frauenhass heraus passiert. Was wir häufig erleben ist bei solchen Fällen, dass dann eher nicht wegen Wort verurteilt wird, sondern eher wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder Totschlag.

00:29:43 Da ist es ja so, Mordmerkmale, das heißt, es muss aus niederen Beweggründen die Motivation sein oder Hinterlist, Heimtücke.

00:29:53 Und da wird immer noch, also klar, es gibt ein wegweisendes Urteil vom Bundesgerichtshof, was sagt, diese Besitzansprüche, diese patriarchalen Denkweisen, die Frau gehört mir und sie darf nicht gehen, sie hat kein Recht auf ein eigenständiges Leben. Da wurde schon entschieden, dass das niedrige Beweggründe sind, also Mord. Aber in unteren Instanzen kann man immer noch Urteile finden, wo...

00:30:15 entschuldigende, bagatellisierende Begründungen stattfinden, von wegen, er hatte halt total viel Stress und das ruiniert sein ganzes Leben und er ist in der Krise und konnte seine Gefühle nicht in den Griff kriegen und dann aber übersehen wird, dass das eine lange Vorgeschichte hat und dass es sehr wohl eine absichtsvolle Tat war, die

00:30:36 sehr wohl unter niedrige, niedere Beweggründe fällt, indem es einfach patriarchale Besitzansprüche sind. Und das war sehr schön zu hören bei diesem Beispiel. Genau, wenn sie wirklich ganz geht und klar ist, sie kommt auch nicht wieder zurück. Das ist der Moment, wo häufig dann solche Femizide passieren.

00:31:00 Was ich nochmal total wichtig finde, wir haben in Deutschland immer so viel den Blick auf die Betroffenen. Das ist gut, weil sie Unterstützung brauchen. Aber wir brauchen viel mehr und das macht Spanien so viel besser, den Blick auch auf die Täter, auf die tatausübenden Personen. Da gibt es tolle Forschungen inzwischen zu Leaking. Also gibt es Anzeichen, woran man erkennen kann, dass hier ein Hochrisikofall vorliegt, dass die Frauen wirklich gefährdet sind, schwere Verletzungen zu erleben bis hin zum Femizid. Und da gibt es viele Anzeichen und gerade auch solche Situationen.

00:31:29 Situationen, wo eine endgültige Trennung passiert, wo er keine Hoffnung mehr hat, dass sie wieder zurückkommt oder auch wo er im größeren Kreis ankündigt, die muss weg.

00:31:41 Oder wenn ich sie nicht haben kann, darf sie auch niemand anders haben. Oder wenn er Zugang zu Waffen hat. Oder wenn rauskommt, es gab schon häusliche Gewalt in früheren Beziehungen. Also es gibt inzwischen standardisierte Instrumente zur Gefährdungseinschätzung. Und es wäre so wichtig, die systematisch anzuwenden, weil man dann häufiger solche Fälle auch verhindern könnte. Was hätten Sie sich gewünscht, Frau König?

00:32:07 Einfach mehr Sichtbarkeit. Wenn ich höre, dass im Haus, wo man dann wohnt, der Nachbar die Schreie hört, aber dann nicht tätig wird. Und ich denke, heutzutage hat jeder ein Handy, ein Telefon zu Hause und könnte die Polizei anrufen. Das könnte vielleicht auch ein Leben retten. Es fühlt sich irgendwo niemand so zuständig, weil es ist ja Privatsache, es geht mich nichts an.

00:32:34 Und da würde ich mir auch von der Gesellschaft einfach mehr die Sichtbarkeit wünschen. Lieber einmal mehr die Polizei anrufen und herholen wie einmal zu wenig. Und ja, man wird es aus dem nicht rauskriegen. Hinzu kommt ja auch, dass Täterarbeit wird ja schon gemacht. Aber bin ich bei der Kollegin, dass sie...

00:33:01 sagt, ja, da muss noch mehr getan werden. Und auch verpflichtend Schulungen. Schulungen, egal wo, ob das ein Jugendamt ist, ob das ein Richter ist, ob das ein Anwalt ist. Verpflichtende Schulungen, das ist sehr, sehr wichtig und das würde ich mir wünschen.

00:33:23 Genau, also da würde ich das ganz unterstützen, weil man muss es auch ein Stück verstehen können, diese Gewaltdynamik in solchen Gewaltbeziehungen. Also die Forschung hat zum Beispiel festgestellt, dass in ganz vielen Fällen gar keine körperliche Gewalt vorher stattgefunden hat, sondern das Hauptmerkmal war...

00:33:41 Zwang und Kontrolle, also Macht und Kontrolle. Diese Beziehungen sind geprägt von Macht und Kontrolle, von patriarchalem Besitzdenken. Und das kann sich in rein psychischer Gewalt äußern und in manchen Fällen auch in körperlicher und sexualisierter Gewalt, aber auch in diesen Beziehungen, wo es schwerpunktmäßig um Macht und Kontrolle, um Zwang geht, um psychische Gewalt.

00:34:03 kann es solche Anzeigen geben, dass es trotzdem ein Hochrisikofall ist. Und das muss ja jemand erkennen bei der Polizei, bei der Justiz in Verfahren zu Umgang und Sorgerecht, wenn sich eine Frau trennt zum Beispiel. Das ist auch so ein Bereich, wo immer noch viel Gefährdung ist, weil zum Beispiel viele Familienrichter das nicht erkennen, dass hier manipulativ auch auf die Kinder eingewirkt wird oder die Frau unter Druck gesetzt wird. Und das muss man in Fortbildung lernen oder dass es eben Schwerpunkt...

00:34:33 Staatsanwaltschaften zum Beispiel gibt, Sonderzuständigkeiten bei der Polizei. Teilweise gibt es das auch schon, aber nicht durchgängig. Und gerade bei Familiengerichten zum Beispiel gibt es das in der Regel nicht. Und auch da können wir ganz viel von Spanien lernen.

Gesetzeslage, Hilfsangebote und gesellschaftliche Verantwortung

00:34:47

00:34:47 Und Sie haben auch noch wichtigen Sachen angesprochen. Aber ich würde einmal gerne Sie fragen. Wir sprechen über Spanien nochmal auch detaillierter mit unserer Korrespondentin. Aber direkt die Frage an Sie, warum gibt es das denn nicht? Wenn es da das Modell schon gibt, es gibt Spanien von dem Land, wo man viel kopieren kann. Warum gibt es das nicht? Viel gibt es ja schon. Wir haben jetzt auch das erste Mal auf der Bundesebene auch Gewalthilfegesetz. Und das ist noch gelungen, also dieses Gesetz vor dem Ende der Legislaturperiode anzunehmen. Kurz zur Erklärung.

00:35:17 Das Gewalthilfegesetz sagt im Kern, dass jede Frau Anspruch darauf hat, einen rechtlichen Anspruch auf ein Frauenhaus. Platz müsste eigentlich laut Istanbul-Konvention, das ist ein europäischer Vertrag, wo sich eigentlich auch alle Länder jetzt schon verpflichtet haben, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Also eigentlich müsste es ja jetzt schon Anspruch geben, oder?

00:35:41 Und es klappt nicht? Nein, also eigentlich, soweit ich verstanden habe, noch die Implementierung kommt jetzt. Das heißt also, rechtliche Umsetzung soll erst anfangen sozusagen.

00:35:51 Also man muss dazu sagen, das ist ja schon ein großer Wurf. Also wenn wir das schaffen wollen, von dem Stand jetzt bis zu einem wirklich flächendeckenden Unterstützungsnetz zu kommen, dann muss viel ausgebaut werden, dann muss auch investiert werden. Und deswegen hat der Gesetzgeber gesagt, das schaffen wir nicht ab sofort, sondern ab 2027 soll ein Sicherstellungsauftrag der Länder gelten. Das heißt, die müssen ein flächendeckendes Netz an Schutz und Unterstützung vorhalten.

00:36:20 hat auf Schutz und Unterstützung, den gibt es erst ab 2032. Und es ist trotzdem ein großer Wurf, weil sich da endlich mal die Bundesebene und alle Landesregierungen auch...

00:36:32 geeinigt haben, wir wollen das und dass das Gesetz noch verabschiedet werden konnte. Im Februar ist ein großer Wurf und es muss jetzt aber umgesetzt werden. Da ist noch mal viel, viel zu tun. Auch eine Bedarfsanalyse, eine Entwicklungsplanung. Wie schaffen wir das, dass wirklich dann jede Frau Zugang hat? Und also politisch zu erklären, ist es so, dass wenn zum Beispiel im Bundesrat das alles ratifiziert wurde, ja am 14. Februar 2025, das heißt also, dass die Länder und der Bund dann auch in der Verantwortung

00:37:01 sind und dann auch Infrastruktur dafür schaffen müssen. Also wenn zum Beispiel nicht genug Frauenhäuser vorhanden sind, also was für Finanzierung da nötig ist, also welche Angebote noch geschaffen, gesichert werden müssen. Das ist dann die Aufgabe, die dann entsprechend geteilt wird. Und deswegen dauert es noch so lange. Und vielleicht nochmal die Ausgangssituation ist, im Moment sind das alles freiwillige Leistungen. Das heißt...

00:37:25 Wenn wieder Sparlisten da sind, kann es passieren, dass eine Fachberatungsstelle oder ein Frauenhaus auf diese Sparliste kommt. Und wir kämpfen seit 30 Jahren dafür, dass das mal aufhört oder dass wir als Beratungsstellen 25 Prozent der Mittel selber erwirtschaften müssen. Bis dahin, dass Kolleginnen sich auf den Kuchenbazar stellen und Kuchen verkaufen, damit sie ihre Arbeit tun können. Und das muss endlich aufhören, dass wir auskömmlich finanziert werden, dass wir unsere Arbeit tun können.

00:37:55 konzentrieren können, Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen zu geben. Und dafür braucht es eine sichere Finanzierung und deutlich mehr Geld auch ins System als bisher. Und dazu hat sich jetzt der Bund zusammen mit den Ländern verpflichtet. Und das ist schon ein großer Fortschritt. Das Gewalthilfegesetz wurde ja mit Stimmen der Union verabschiedet. Allerdings wollte die Union des Transfrauen

00:38:23 nicht inkludiert sind. Also hier gibt es ein paar Fragen dazu aus dem Chat. Und hier steht, und dank der CDU, CSU wurden Transpersonen exkludiert. Oder hier die Frage, dürfen Transfrauen auch in Frauenhäuser? Ich glaube, da geht es vor allem um eine Formulierungsfrage.

00:38:44 Warum diese Änderung? Ja, also ich denke, dass diese Diskussionen auch noch nicht am Ende sind sozusagen. Das heißt, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das Ganze jetzt in der neuen Legislaturperiode weiterhin fortgeführt wird, auch in zuständigen Fachausschüssen. Also ich kann mir schon vorstellen, dass in der Fraktion das auch diskutiert wurde und man da nicht unbedingt eine Meinung hatte. Also so wie ich die Bundesfraktion kenne, sind jetzt mal alle Bundesländer vertreten, mal konservativer, mal liberaler. Und wenn ich über Berliner Fraktionen denke, dann...

00:39:13 dann sind wir immer Großstaats-CDU schon sehr toleranter im Vergleich. Aber die Diskussionen sind manchmal sehr heftig, auch in Bezug auf Begrifflichkeit, in Bezug auf verschiedene Gruppen, die da mit eingenommen wurden. Deswegen ist es ja der Prozess, der definitiv noch nicht abgeschlossen ist. Wie ist da Ihre Haltung? Also ich würde sagen, das wird noch diskutiert. Also das ist noch nicht abgeschlossen. Und das Gesetz ist halt noch nicht perfekt. Also eigentlich ist das Ziel, dass alle gewaltbetroffenen Menschen ausreichend Unterstützung und Schutz bekommen.

00:39:43 Und im Moment ist das für...

00:39:46 non-binäre, queere Menschen noch nicht im vollen Umgang erreicht. Transfrauen sind Frauen laut Gesetz. Und diese Sache mit den Frauenhäusern, die Fachexpertinnen an der Basis sagen immer, für uns ist das kein Problem. Weil auch in Frauenhäusern ist es so, dass man immer bei jedem Menschen, der dort aufgenommen werden, also bei jeder Frau, die aufgenommen werden soll, kann, wird geschaut, passt das, ist ein Platz frei. Und da wird immer auch individuell geschaut.

00:40:15 Diese Transfeindlichkeit, die da rundherum passiert, das ist auf jeden Fall nicht unsere Agenda. Wir wollen und wünschen uns, dass alle Menschen gute Unterstützung bekommen und Schutz. Und es ist mit diesem Gesetz jetzt der Blick gerichtet worden auf schwerpunktmäßig Schutz und Unterstützung für Frauen.

00:40:35 Und da muss man sagen, okay, wir haben halt mit der Frauenbewegung auch schon seit 30 oder 40 oder 50 Jahren dafür gekämpft, dass wir endlich eine Absicherung unserer Arbeit bekommen. Und ich wünsche mir das genauso auch für gewaltbetroffene Männer. Und da denke ich dann immer, hey, Männer, legt los. Wir brauchen auch noch eine starke Männerbewegung. Ach, Moment, dazu kann ich... Okay, nein, nein, nein, wir sprechen jetzt nicht über die Männerbewegung. Genau, wir bleiben beim...

00:41:03 Beim Thema, ich schaue noch mal kurz in den Chat. Was sagt ihr?

00:41:13 Ja, einmal hier ganz eine konkrete Frage von Kirschkuchen Deluxe, aber auch die Zuweisung in ein Frauenhaus. Ich bin eine Frau, falls ich diese Hilfe brauche. Wo wendet man sich dahin? Wer entscheidet über die Dringlichkeit für so einen Aufenthalt? Also es gibt auf jeden Fall eine Website w.frauenhaussuche.de. Da kann man schauen bundesweit, wo es Frauenhäuser gibt.

00:41:38 Und da ist auch eine Ampel. Also wo ist frei? Und es ist tatsächlich häufig noch so, dass die

00:41:45 alle Plätze belegt sind und wenn im Haus alle Plätze belegt sind, können keine weiteren aufgenommen werden. Und dann versuchen in der Regel die Kolleginnen vor Ort, also die Fachfrauen, weiter zu vermitteln und schauen, wo ist noch woanders ein Frauenhaus, was einen Platz frei hat. Aber ja, es gibt da Statistiken bei dem Bundesverband der Frauenhäuser, dass so und so viele Frauen auch abgewiesen werden mussten, weil es einfach noch nicht genug Plätze gibt, obwohl es eben die Istanbul-Konvention vorschreibt.

00:42:13 Und das wird sich hoffentlich dann mit dem Gewalthilfegesetz ändern und auch, dass alle einen kostenfreien Zugang haben zu Frauenhäusern, weil da gibt es auch sehr unterschiedliche Regelungen zwischen den Bundesländern und teilweise müssen Frauen da auch zuzahlen, Geld bezahlen. Und auch da gibt es noch verschiedenste Dinge, die hoffentlich...

00:42:35 Dann besser werden. Ich habe jetzt für Berlin auch mehr angeschaut, also was bei uns auf der Webseite der Senatsverwaltung für Arbeit. 2000 Frauen wurden 2023 abgewiesen in Berlin. Was sagen Sie diesen Frauen? Na, das sind ja jetzt mittlerweile schon zwei Häuser, die in Planung sind. Also die Frauenhäuser. Für 2000 Frauen? Na, das ist ja nicht. Das werden definitiv so viele nicht nennen. Ich habe das, glaube ich, mit 30 bei einem Haus und 40 beim anderen Haus gesehen. Das ist aber schon besser als das, was wir machen.

00:43:04 zuvor hatten. Das heißt, es ist ja mit kleinen Kinderschritten, aber trotzdem ist es ja deutlich mehr. Und auf der Webseite, da waren alle Kontaktdaten, da waren nicht nur Frauenhäuser, sondern da waren auch die Wohnungen, die man auch zum Beispiel mieten kann. Und da helfen auch die Träger bei der Suche nach der Wohnung, weil zum Beispiel die Frau, die von Gewalt betroffen ist, also die hat ja schon wegen belastender Situation vielleicht nicht Energie und Kraft nach der Wohnung zu suchen. Oder es gibt ja auch diese zwei Schritte Wohnung quasi, die dann auch

00:43:33 den Frauen vermittelt werden. Das ist dann schon mal wichtig. Und bei manchen waren die Adressen da, bei anderen waren keine Adressen. Ich habe einfach aus Interesse nachgeschaut, zum Beispiel, wenn jetzt eine betroffene Frau sich wendet an Frauenhaus oder bei der Webseite sich anmeldet, dann bekommt man auch so einen Termin, wo man sich treffen kann mit einer Person, die dann auch die Adresse von diesem Haus mitteilt, dass es geheim bleibt und dass der Täter dann nicht den Weg findet. Klingt gut.

00:44:02 Ich will einfach nochmal zeigen, wie es tatsächlich schwarz auf weiß aussieht mit den Frauenhäusern. 400 Frauenhäuser gibt es in Deutschland. Sie bieten insgesamt 7700 Plätze. Laut Istanbul-Konvention müssten es aber 21.000 sein, also fast dreimal so viele.

00:44:20 Genau, da sehen wir die große Lücke, die es gibt. Wir haben über das Gewalthilfegesetz gesprochen. Also da soll sich einiges ändern in einigen Jahren in der Zukunft. Frau König, nochmal an Sie zurück zu Ihnen, zu Ihrer Geschichte. Wie haben Sie gelernt oder es geschafft, damit umzugehen, frage ich mich. Wie schafft man das? Was hat Ihnen geholfen, wenn einem sowas passiert?

00:44:49 Zuerst einmal für mich als Hinterbliebene ist es so, dass ich sage, es braucht Zeit, teilweise Therapie. Und ja, auch da Hilfestellung und auch als Angehöriger, der dann zurückbleibt, zu verstehen, was ist da eigentlich passiert.

00:45:11 Damit meine ich nicht einmal den Mord, weil das kann man nicht zurücknehmen. Aber was ist in diesen 50 Jahren passiert, dass es so weit gekommen ist? Und das müssen die Menschen, auch Hinterbliebene, erst einmal verstehen. Und erst dann kann die Heilung einsetzen. Und es braucht Zeit und Hilfestellung. Und aus diesem Grund habe ich auch...

00:45:36 nach langem Hin und Her und Heilungsphasen und Therapiemöglichkeiten und Reha eine Selbsthilfegruppe gegründet, dass auch die für betroffene Menschen und Angehörige offen ist, damit sie sich austauschen können, damit man auch da verstanden wird und weiß, man ist nicht alleine. Denn ich habe damals nur gesagt bekommen, ja, dann...

00:46:03 Wenn Sie nicht damit klarkommen, suchen Sie sich eine Trauergruppe. Und das hätte mir persönlich nur bis zu einem gewissen Punkt geholfen. Gibt es da besondere Geschichten, Begegnungen, die Ihnen im Kopf geblieben sind? Sind das ähnliche Geschichten? Im Endeffekt habe ich so viele Geschichten schon gehört in den letzten Jahren, dass ich wirklich sagen kann, sie ähneln sich alle.

00:46:29 Das Einzige, was anders ist, ist, dass es ein anderer Mann war und eine andere Frau. Was ich persönlich ganz schlimm finde, weil wir jetzt gerade darüber geredet haben, es sind immer die Frauen, die vielleicht noch Kinder mit dem Täter haben, mit dem Ex-Partner haben, die sich trennen wollen, die in ein Frauenhaus flüchten müssen, um sicher zu sein. Und für mich...

00:46:55 ist es immer unvorstellbar, dass man alles aufgeben muss, auch die Kinder, ihre Freunde, ihre Schule, alles aufgeben müssen, um safe zu sein und der Täter lädt sein Leben weiter, möglicherweise noch in der gleichen Wohnung, geht noch auf die Arbeit, ganz normal, als wäre nichts passiert. Und dann kommt das Umgangsrecht mit den Kindern.

00:47:22 Was müsste sich ändern als Abschlussfrage an Sie? Was wünschen Sie sich? Sie haben gerade schon gesagt, mehr Aufmerksamkeit, also Nachbarn, Freunde, die reagieren, was wünschen Sie sich noch? Dass die Gewalt nicht übersehen wird bei den Institutionen. Bei uns war es ja auch Totschlag. Man hat ja noch praktisch eine Mitschuld gegeben, dass er so fix und fertig war, weil sie ihm doch so viel zu tun hat. Der arme Mann.

00:47:51 Und das ist jedes Mal das Gleiche. Ich habe irgendwann das Gefühl gehabt, die hatten irgendwo alle eine Schulung, weil sie alle in einem Tunnel waren oder nichts mehr wissen oder nicht genau denken können, was da gerade passiert ist. Und man kommt da durch. Und wenn man da keine Hinterbliebenen hat, die als Nebenklage auftreten, dann wäre unser Täter jetzt schon wieder frei.

00:48:19 wäre jetzt schon wieder frei. Und das kann das nicht sein. Ja, das hatten wir auch gerade besprochen, dass eben Mord da in seltensten Fällen erkannt wird. Vielen Dank, Frau König, dass Sie heute hier waren, Ihre Geschichte geteilt haben. Danke Ihnen. Danke.

00:48:46 Noch einen schönen Abend und schau mal in den Chat. Hier gibt es einmal Lob. Ich finde es schön, dass es hier heute mal dieses Thema gibt. Gerade ist eingeschaltet. Hallo, schön, dass du da bist. Dann schaue ich nochmal. Was gibt es hier noch?

00:49:09 Also hier sieht jemand, wir haben vermutlich zwei grundsätzliche Baustellen, die Prävention, sprechen wir auch noch drüber, damit es gar nicht erst so weit kommt, sehr wichtig, und der Ausbau der Frauenhäuser. Ich sehe hier nicken, da gehen sie mit. Und hier auch nochmal in Bezug auf Frau König. Ja, es kann nicht sein, dass die Frauen wegrennen müssen vor ihren Tätern, die müssen einfach weggesperrt werden.

00:49:36 Heißt das dann eine strengere Gesetzeslage, höhere Strafen?

00:49:44 Was auch an dem Beispiel nochmal sehr schön zu sehen war, was wir eigentlich brauchen, ist ein Gesamtkonzept, weil es gibt einzelne Dinge, die schon ziemlich gut sind, auch auf der rechtlichen Situation. Die Polizei kann sehr wohl Kontakt- und Nährungsverbote aussprechen, kann auch die gemeinsame Wohnung der betroffenen Frau zur alleinigen Nutzung erstmal zuweisen. Man kann das verlängern über das Gewaltschutzgesetz, also die zivilrechtlichen Möglichkeiten, auch da Kontakt- und Nährungsverbote.

00:50:14 wo der Schutz nicht funktioniert. Da wurde hier auch angesprochen, das Kindschaftsrecht, also Familienrecht, wenn die beiden gemeinsame Kinder haben.

00:50:22 Dann kann es sein, dass die Frau zwar eine Verfügung über das Gewaltschutzgesetz hat und da geschützt ist, aber gleichzeitig dem Mann das Umgangsrecht zugesprochen wird und sie verpflichtet ist, immer wieder ihr Kind dahin zu bringen, ihm zu übergeben und dabei gefährdet ist und eben bei familienrichtlichen Entscheidungen immer noch Gewaltschutz nicht an erster Stelle steht, sondern Umgangsrecht. Also das Kind braucht seinen Vater und eine Bindung zum beiden Elternteilen steht über allen.

00:50:52 auch eine tolle Gesetzesentwürfe, die es leider nicht mehr geschafft haben vor dem Regierungswechsel. Das muss dringend in dieser Legislaturperiode wieder aufgenommen werden, steht auch im Koalitionsvertrag. Das heißt, dass auf jeden Fall im Kindschaftsrecht verankert wird, dass der Gewaltschutz

00:51:09 die wichtigste, also über allem steht und vor allen Dingen auch der Schutz des gewaltbetroffenen Elternteils. Also es geht nicht nur um das Kindeswohl, auch da ist nochmal viel Fortbildung nötig, dass eben auch das Mitanschauen und das Aufwachsen in einer gewaltgeprägten Beziehung auch eine Gefährdung fürs Kindeswohl ist. Und es geht aber auch darum, den gewaltbetroffenen Elternteil zu schützen. Allein das muss auch ausreichen, um das Umgangsrecht auszusetzen, zumindest so lange, bis eine standardisierte Gefährdungsanalyse

00:51:38 stattgefunden hat und man solide weiß, wie gefährlich ist der Gefährder und dann eben auch Maßnahmen, zum Beispiel die Zuweisung zu Täterkursen, also dass es verpflichtet wird, einen sozialen Trainingskurs zu machen, dass die tatausübende Person an sich arbeiten muss.

00:52:00 Und erst dann, wenn ganz klar Verantwortungsübernahme stattgefunden hat, an sich gearbeitet wurde, dann kann man wieder eigentlich an Umgangsrecht denken. Und solange das nicht passiert und bisher ist da noch eine riesige Lücke in den Gesetzesdingen. Und ich wollte auch noch mal sagen, so ganz einfach ist es natürlich nicht, weil vieles ist in Polizeigesetzen geregelt. Und wir haben 16 Bundesländer und jedes Bundesland hat ein eigenes Polizeigesetz.

00:52:29 Die Dinge sind sehr unterschiedlich dort geregelt und in Spanien gibt es ein Gesetz für alle.

00:52:35 Ein Gesetz für alle, richtig. Ich schaue nochmal in den Chat. Hier sagt jemand, ich, Mail, finde es durchaus kompliziert, sowas denn tatsächlich wahrzunehmen, wenn ich zum Beispiel in der Stadt unterwegs bin. Wie kann ich meine Wahrnehmung verbessern und zielführend unterstützen, falls ich sowas wahrnehme? Also da geht es darum, wie kann ich reagieren, wenn ich Gewalt vermute? Darüber sprechen wir gleich auch nochmal. Chat, wenn ihr mitdiskutieren wollt, auch per Video, dann könnt ihr euch...

00:53:04 sehr gerne dazu schalten. Wie das geht, das zeigt euch meine Kollegin Maria, die hinter mir in der Regie sitzt. Hi Maria. Hallo, wir hätten euch gerne mit dabei und um zu uns zu kommen, einmal da oben auf Anklingeln drücken. Dann habt ihr das Schlimmste schon geschafft. Da klickt ihr euch dann durch ein winzig kleines Menü und landet bei mir im Backstage.

00:53:25 Wichtig ist natürlich, Kamera muss funktionieren, Mikrofon muss eingeschaltet sein und ihr müsst eure Flüsternachrichten aktiviert haben von Unbekannten, denn dann chattet ihr mit mir, ihr findet mich unter ARD-Streamtogether. Wir chatten kurz, alles ziemlich easy peasy und falls es doch nicht klappt, haben wir wunderbare Mods im Chat oder ihr flüstert mich direkt an und wir finden auf jeden Fall eine Lösung. Kommt gerne zu uns, wir freuen uns.

Zunahme von Gewalt und die Rolle von Betroffenen

00:53:51

00:53:51 Dankeschön, liebe Maria. Ich hatte eingangs gesagt, es gibt viele verschiedene Formen von Gewalt. In fast allen Bereichen nimmt die Gewalt zu. Laut BKA-Bericht erlebt fast alle drei Minuten eine Frau oder ein Mädchen häusliche Gewalt. Und über dieses Thema können wir mit Romy Stangel sprechen, die sie seit vielen Jahren engagiert und selbst erlebt hat, wie schwer es ist, sich zu befreien. Hallo, schön, dass Sie da sind. Hallo, schönen guten Abend. Danke, dass ich dabei sein darf.

00:54:19 Frau Stangel, wenige Betroffene sprechen öffentlich darüber, was da passiert ist. Bei Ihnen ist das anders. Warum? Bei mir ist das anders, weil ich für mich entschieden habe, dass es die Nähe zu dem Thema braucht. Neben all den Zahlen, die uns mit jeder Statistik gezeigt werden, glaube ich persönlich, dass es wichtig ist, dass wir

00:54:46 dem Thema eine Stimme geben, indem wir zeigen, was sind die Dynamiken, wo geht es los, nicht erst beim ersten Schlag, sondern schon viel, viel früher, um einfach auch nicht nur Zivilcourage von außen zu erreichen, dass man weiß, was sind die Dynamiken, wie kann ich das erkennen, sondern auch für Menschen, die sich vielleicht unbewusst in einer Situation befinden, die schon gewaltvoll ist.

00:55:15 um das Thema sichtbar zu machen und zu zeigen, dass es existiert und wo es losgeht und wo es auch enden kann, wie wir eben gerade gehört haben. Und einfach auch, um aufzuzeigen, was es braucht. Ja, also wir haben schon gehört, es gibt schon viel in Deutschland, aber es fehlt auch an viele, muss ich trotzdem sagen.

00:55:41 Wie war das denn bei Ihnen? Also wie wird aus Liebe, Kontrolle und dann Gewalt? Wie läuft das ab?

00:55:47 Ja, also ich muss bei mir dazu sagen, dass ich das Thema Gewalt schon seit der Kindheit, dass das Thema Gewalt seit der Kindheit eine Rolle spielt und somit ich auch die Grenzen, die ich als Mensch brauche, um sowas zu erkennen, schon in meinen Wurzeln nicht erhalten habe. Das heißt, ich bin in diese Beziehung...

00:56:14 Weil ich gedacht habe, dieser Mensch liebt mich. Also ich habe es so gefühlt. Ich habe gedacht, er versteht mich. Und heute kann ich aber rückwirkend sagen, dass ich das heutige Sicht als Strategie empfunden habe, wie er auch vorgegangen ist. Also das erste Jahr war wunderbar. Er hat mir, wie man so schön sagt, die Welt zu Füßen gelegt. Aber in dem Moment habe ich ihm auch vieles anvertraut, was er dann auch gegen mich verwendet hat oder gegen mich eingesetzt hat auf emotionaler Ebene.

00:56:44 Und der Wendepunkt war dann eigentlich, als unser gemeinsames Kind auf die Welt kam, dass es damit losging, dass er mich als Frau einfach klein gemacht hat, mir gesagt hat, dass ich fett bin, dass ich mein Leben nicht in den Griff bekomme, dass ich mich eigentlich gar nicht um das Kind wirklich kümmern kann und dass ich eine schlechte Mutter bin.

00:57:10 Einfach diese Degradierungsaussagen, die einen klein machen, die ein schon ehemals betroffener Mensch einfach wieder in so eine Spirale holt, um sich zu fragen, bin ich jetzt schuld an der Situation? Was kann ich tun, dass sich da was ändert? Und es hat dann sich gesteigert in Freiheitsentzug. Er hat mich eingesperrt, er hat mich geschlagen.

00:57:38 Am Anfang so, dass man es nicht wirklich sieht, also am Körper, wo ich Bekleidung getragen habe, dass es auch von außen nicht wirklich für Menschen sichtbar war. Und bis hin zu einer versuchten Vergewaltigung und einem Faustschlag ins Gesicht. Sie sagten gerade, Sie haben den Fehler bei sich selbst gesucht. Das hört man oft, dass Frauen irgendwie die Schuld bei sich selbst suchen, denken, es liegt an mir.

00:58:06 Was ist da in Ihnen passiert oder wie war das? Also in dem Moment, wo man sich drin befindet, hat man diesen Fokus gar nicht, den herauszuziehen. Also in dem Moment versuchst du, also ich kann nur von mir sprechen, ich habe versucht, diese Familie zusammenzuhalten, diese Familie zu retten, weil das durch die Isolation auch von meinem Umfeld einfach auch mein einziger Ort war, wo ich...

00:58:34 zu Hause war. Das war in Anführungszeichen meine Familie. Und deswegen ist das auch so ein perfides, emotionales Spiel, was da gespielt wird. Also möchte ich sagen, dass er versucht hat, mich in diese Situation zu bringen, dass es ihm ja wegen mir so schlecht geht und er so handeln muss.

00:58:58 Und ich das für mich einfach, das war für mich so. Ich habe das nicht in Frage gestellt und habe das dann auch über mich ergehen lassen. Und ich habe auch in seiner Familie, ich habe ja hier keine Familie gehabt, meinerseits habe ich auch keine Ansprache gefunden. Also da war oftmals auch dieses...

00:59:17 Was hast du jetzt schon wieder gemacht? Warum hast du ihn provoziert? Warum? Wieso? Weshalb? Also nie die Frage, auch in meine Richtung. Und das hat das Ganze natürlich auch verstärkt, dieses Schuldbewusstsein. Oft hört man auch, warum geht die Frau nicht einfach? Warum verlässt sie ihn nicht, wenn der so schlimm ist?

00:59:36 Ja, ich finde, also wenn ich diese Frage höre, Entschuldigung, die Ausdrucksweise, aber da platzt mir der Kragen. Ich finde, das ist, die absolut sind diese Fragen, die genau dieses Bild zeichnen, warum viele Menschen kein Bewusstsein auch für dieses Thema haben. Es wird nie die Frage gestellt, warum darf ein Mann das tun? Es wird immer die Frage gestellt, warum.

01:00:02 geht sie nicht einfach, weil es einfach ein Unrecht ist, was ihr passiert, weil sie ein ganzes, wie soll ich sagen, ein ganzes Leben hinter sich lässt, wenn sie so eine Beziehung verlässt und all das, was sich dann auch noch anschließt. Das ist halt nicht der Mann, der geht, das ist halt die Frau, die all diese Wege gehen muss. Das hatten wir ja auch schon im Ansatz besprochen und gehört.

01:00:30 Also diese Frage, warum ist sie nicht gegangen, finde ich, sollte sich ändern. Wir sollten andere Fragen stellen. Was hat Ihnen geholfen, dann am Ende sich zu trennen?

01:00:47 Also ich selber hätte es, glaube ich, von alleine aus mir heraus nicht geschafft. Es war tatsächlich auch die emotionale Situation, dass ich gesehen habe oder erkannt habe, was es mit unserem Kind macht. Er hat jetzt die Gewalt nicht physisch miterlebt oder er wurde auch nicht misshandelt oder sowas, sondern er hat halt diese Energie einfach...

01:01:13 mitbekommen, die da im Raum ist. Und letztendlich war es, bald ist der Punkt, wo ich gesagt habe, ich muss mein Kind beschützen und hier rausholen. Das war der Instinkt, der dann in mir da war. Wo er mir aber auch, weiß ich nicht, also wirklich keine Wahl gelassen hat zu gehen, wo ich gefragt habe, oder gesagt habe, ich gehe jetzt mit unserem Kind oder mit meinem Kind. Und letztendlich war es dann,

01:01:41 Das, was ich mir auch wünsche von unserer Gesellschaft, die Zivilcourage, dass jemand hingeschaut hat. Und das war die Kindergärtnerin in der Kindertageseinrichtung von meinem Sohn, die die Verletzungen gesehen hat und gesagt hat, wir bringen Sie jetzt in ein Frauenhaus mit Ihrem Kind und holen Sie raus aus der Situation. Und ich bin angesichts auch der wirklich nicht vielen Frauenhausplätze

01:02:10 entgegen der Situation, was wir an Gewalt haben, die wir in Deutschland haben, sehr dankbar, dass ich diesen Schutz finden konnte und sehr dankbar bin für diese wertvolle Arbeit, die diese Menschen tun. Und tatsächlich ist es aber wirklich die zu mir Courage gewesen, dass eine Frau hingeschaut hat und gesagt hat, ich helfe. Im Chat gab es die Frage, wie macht man das am besten? Das ist ja auch, wenn ich die Vermutung habe, ein sehr krasser Vorwurf.

01:02:38 Gehe ich jetzt einfach zu meiner Nachbarin und sage, hey, ich denke bei dir zu Hause, dein Mann schlägt dich. Haben Sie da einen Tipp oder einen Hinweis? Wie macht man das am besten? Also ich glaube, da geht es ganz viel um Vertrauen und wenig um Druck. Also einfach, dass man sagt, ich habe das Gefühl, dir geht es nicht gut, zum Beispiel. Oder wenn es jemand ist, der in der Nachbarschaft lebt, dass man...

01:03:03 Natürlich immer auch mit Blick auf den eigenen Schutz. Da gibt es mittlerweile auch Zivilcourage-Programme, die man in einigen Orten bei der Polizei auch machen kann, um das zu erfahren, wie man handeln kann. Dass man einfach klingelt und sich ein Bild von der Lage macht und Vorwände sucht, wie bei mir ist was aus, also was weiß ich, ich habe keine Eier mehr, kannst du mir helfen zum Backen oder was weiß ich. Also dass man einen Vorwand sucht, um zu klingeln.

01:03:31 und sich ein Bild der Situation zu verschaffen und gegebenenfalls auch dann die Polizei ruft. Aber es ist einfach eine Vertrauensfrage, dass ich auch informiere. Erstens sollte jeder informiert sein, was ist Gewalt, welche Gewaltformen gibt es und welche Hilfsangebote gibt es bei mir vor Ort.

01:03:54 Es ist keinen Druck zu machen auf die betroffene Person, sondern ihr Angebote zu machen und sie zu ermutigen, sich zu informieren, sich Hilfe zu holen, aber nicht unter der Prämisse, du musst, weil das hat sie schon in ihrer Beziehung. Also dass man eine Hand reicht im Sinne von, dass man sagt, was gibt es für Möglichkeiten, was...

01:04:21 Wie kann ich dich unterstützen? Kann ich dich bei irgendwas unterstützen? Dass ich dich begleite zu einer Hilfsinstitution oder zu einer Beratungsstelle zum Beispiel. Hier gibt es einen Kommentar, der sich auf Sie bezieht.

01:04:40 Wenn man die Frau auffordert zu gehen, hat es was von Schuldzuweisungen. Die Schuld liegt bei einem gewalttätigen Partner, nicht bei demjenigen, der Gewalt erfährt. Es ist immer noch eine gewisse Abhängigkeit und eventuell auch emotionale Bindung im Spiel. Ich glaube, das vergessen viele, die sowas fordern zu oft, beziehungsweise bezieht sich das auf die Frage, die ich Ihnen gestellt habe. Genau, da geht es auch um emotionale Abhängigkeit. Natürlich ein wichtiges Thema.

01:05:07 Hier das Thema 22 sagt, man darf Opfer und Täter niemals vertauschen. Haben Sie das Gefühl, das passiert? Ja, das passiert. Also das muss ich so sagen. Also auch im Austausch mit Betroffenen passiert das auch schon in der Beratung oftmals. Kommt das auch schon vor. Und ja, vor allem vor Gericht.

01:05:31 Da wird es oftmals, war auch in meinem Fall so, einfach auch die Situation, in der sich die Frau befindet, schamlos vom Täter ausgenutzt, um seine, in Anführungszeichen, Rechte einzufordern. Und das ist eine Täter-Opfer-Umkehr, die da einfach erfolgt, auch wenn es um Gewaltschutz geht.

01:05:56 Rechtsbarkeit geht oder auch dann um das Thema Sorgerecht und Umgangsrecht. Was heißt das konkret? Also wenn Sie sagen, das wird ausgenutzt? Also ich kann es in meinem Fall ganz konkret sagen. Wir haben hier in Bayern, ich finde es, ich habe eine Familie und ich bin dankbar dafür, dass das Familie hoch geschätzt wird.

01:06:23 Aber in der Situation war es dann so, dass von mir ein Täter-Opfer-Ausgleich als Auflage mitgegeben wurde, dass ich sozusagen mich mit dem Täter an den Tisch setze, um die Beziehung zu retten. Und das habe ich nicht gemacht. Und das ist mir letztendlich dann auch als Nichtbereitschaft unter...

01:06:46 unterstellt worden, dass ich das eigentlich gar nicht möchte, eine Lösung herbeizuführen oder das vielleicht noch auf einen guten Weg zu führen. Und ja, vor Gericht war es denn so, dass halt einfach, wie soll ich sagen, man hat als Betroffene halt, ist man auch in einer Situation, wo man durch die Gewalterfahrung einfach auch Dinge vielleicht nicht in einer chronologischen Reihenfolge wiedergeben kann, die notwendig wäre vor Gericht. Dass man

01:07:14 rein durch die Anwesenheit des Täters auch im Gerichtssaal einfach ausgenockt wird, sag ich ganz klar. Und in den Umgangsrechtsverfahrenen ist es oftmals so, also aus meinem Fall und auch durch den Austausch mit Betroffenen,

01:07:35 dass man der Frau Bindungsintoleranz unterstellt, dass sie sich nicht um das Kind kümmern kann und somit auch ein Stück weit eine Schuldzuweisung in dem Sinne auch schon wieder passiert.

01:07:48 die einfach nicht richtig ist und damit auch eine Umkehr erfolgt, dass der Mann hingehen kann und sagen kann, ja, sie kann sich ja nicht um das Kind kümmern und sie ist eine schlechte Mutter und so weiter und so fort. Und dann kommt diese ganze Situation, wo es einfach, wie meine Vorrednerin schon sagte, Frau König, ist einfach auch dieses Verständnis für die Dynamiken, die Gewalt hat, einfach...

01:08:10 oftmals nicht vorhanden ist und dass es das ganz, ganz dringend braucht, um diese Dynamiken zu erkennen und eben diese Täter-Opfer-Umkehr Stück für Stück auszuschließen. Vielen Dank bis hierhin schon mal. Es gibt jemanden aus der Community, der gerne was sagen möchte. Dem würde ich gerne dazu holen. Hi.

Diskussion über die Wahrnehmung von Frauenschutz und Gewaltprävention

01:08:38

01:08:38 Schön, dass du da bist. Stell dich einmal kurz vor, bitte. Wir hören dich nicht.

01:08:49 Jetzt höre ich da was, oder? Jetzt. Jetzt hören wir dich. Hi. Super. Schön, dass du da bist. Stell dich einmal kurz vor. Genau, ich bin der Joshua. Ich bin 25 Jahre alt und ich bin hier gerade kurz rüber gestolpert, ganz normal auf meinem Abend auf Twitch. Und ich habe mir tatsächlich ein bisschen Sorgen gemacht, weil ich habe Angst, dass das ganze Thema zum Schutz der Frauen ein bisschen bei vielen Leuten in den falschen Hals gerät, weil...

01:09:17 halt explizit nur der Schutz der Frauen quasi so intensiv angesprochen wird. Und ich muss, also bei mir nebenan tatsächlich sogar direkt bin, also werde ich oder bekomme ich mit, wie der Ehemann, ganz alter Kerl, auch schon immer wieder von seiner Frau ganz verbal zusammengefaltet wird. Und das ist auch nicht schön. Damit will ich auch gar nicht irgendwelche anderen Taten irgendwie in den Schatten stellen oder so. Darum geht es gar nicht. Aber ich glaube, dass viele Leute gerade bei so

01:09:45 Ein gutes Beispiel ist mit Klimaklebern, dass viele Leute sich vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn es darum geht, dass es halt explizit eher heißt, wir müssen unsere Frauen schützen, anstatt wir müssen unsere Menschen schützen. Einfach als Zeichen gegen Gewalt, prinzipiell gegen Menschen und nicht nur gegen Frauen. Weil ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen sich dadurch eher quasi in die Ecke gedrängt fühlen und quasi das Problem nicht richtig lösen, sondern tatsächlich vielleicht sogar dagegen stimmen.

01:10:14 quasi die Leute, die sich auf die Straße geklebt haben. Es hat ja mehr Hass oder weniger Leute offener gemacht, sich für das Klima einzusetzen. Die Leute waren eher genervt davon. Und ich habe Angst, dass das auch jetzt bei diesen Themen, weil ich habe das auch vor zwei Wochen mitbekommen. Darf ich kurz versuchen, damit ich dich richtig verstehe? Das heißt, was du sagst, ist, du fühlst dich unter Verdacht gestellt generell als Mann?

01:10:43 Ich würde es gerne verstehen, was du sagst. Dass das, glaube ich, bei Frauen gut ankommt, dass man sich für Frauenschutz einsetzt und auch gegen Gewalt gegen Frauen. Aber ich glaube, dass das weniger bei den Männern tatsächlich ankommen könnte.

01:10:58 die vielleicht potenziell mit sowas gar nichts zu tun haben und sich dabei vor den Kopf gestoßen fühlen, ähnlich wie Leute, die vielleicht potenziell gar nichts mit Klimaverschmutzung zu tun haben, aber dann auf dem Weg zur Arbeit bedrängt werden von irgendwelchen Leuten, die sich fürs Klima einsetzen und dann im Endeffekt das Gegenteil bewirkt wird, die Leute weniger offen dafür werden und weniger Bereitschaft zeigen, sich dem auch zu beugen oder da Einsicht zu zeigen, sondern dass eher die Fronten verhärtet werden, anstatt dass man da gemeinsam eine Lösung finden kann.

01:11:27 Frau Stange, möchten Sie darauf reagieren? Ja, sehr gerne. Das zeigt natürlich auch so ein Stück weit, wo wir präventiv in dem Thema stehen und wie wir damit umgehen.

01:11:57 dass wir die Männer auch mehr ins Boot mitnehmen bei dem Thema. Das heißt, dass wir erstens das Thema auch Gewalt gegen Männer mit betrachten und mitdenken in jeglicher Form. Also dass wir quasi diesen Gewaltgedanken gegenüber Menschen auch denken. Da gebe ich dir vollkommen recht. Es ist so, dass die Zahlen halt...

01:12:24 einfach eine klare Sprache sprechen, was das Thema Gewalt gegen Frauen angeht. Da will ich auch gar nicht irgendwas gegen sagen, dass das nicht richtig ist. Ich wollte nur sagen, dass ich das Gefühl habe oder halt jetzt auch gerade aus der Sicht eines Mannes vielleicht.

01:12:38 wo ich das Gefühl habe, dass die Message nicht alle Leute trifft, weil sich dann halt einfach Leute auch vielleicht eher vor den Kopf gestoßen fühlen. Auch eben wurde das gesagt, dass Leute, Sexualstraftäter, zu früh aus dem Gefängnis gekommen sind oder teilweise gar keine Strafen bekommen haben. Aber da bin ich ja als normaler Bürger gar nicht in der Verantwortung. Also ich meine, ich mache jetzt nicht den Job des Richters oder die Gesetzgebung. Also ich meine, ich könnte natürlich hingehen und sagen, ich will auf die Straße gehen und gegen solche ungerechten Urteile.

01:13:07 Demonstrieren, aber das tut mir leid, dafür habe ich auch einfach nicht so gut gesagt. Darf ich dazu noch was sagen? Ja. Also ich wäre halt dafür, dass man, also ich meine, dieses, es hat mit mir nichts zu tun, ist halt auch.

01:13:26 Das, was das Problem ist, was diese Gewalt einfach auch bestärkt. Aber das ist ja blöde zu zeigen, auf die Gesellschaft oder auf die Männer oder generell, dass irgendwas falsch läuft, wenn ganz klar...

01:13:37 also zu sehen ist, wo die Fehler liegen. Wenn jetzt solche Urteile getroffen werden, dann ist ja ganz klar zu sagen, da wird jetzt ein falsches Urteil getroffen und wir müssen gucken, wie kann sowas passieren, dass ein falsches Urteil getroffen wird, anstatt hinzugehen und zu sagen, na gut, aber jetzt müssen wir mal als Gesellschaft umdenken und dafür sorgen, dass weniger Frauen, also...

01:13:57 Ich glaube, das kommt am Ende nicht an. Das wird am Ende nicht viel bringen. Ich glaube, wenn wir versuchen, das ist ja auch was mit den Plastikdecken, also bevor wir uns hier die Plastikdinger dran schrauben, sind die in Indien und in China immer noch all ihren Plastikmüll in die Meere am Schmeißen und wir werden dann dafür zur Rechenschaft gezogen. Das kommt nicht gut und das wird auch, glaube ich, langfristig nicht funktionieren. Und da schaffen wir uns nur mehr Fronten, anstatt endlich mal ein bisschen aufeinander zuzugehen.

01:14:22 Ich gebe dir insofern recht, das mit dem Aufeinanderzugehen. Aber dazu braucht es halt einfach auch Bewusstsein. Das heißt, wir haben Gewalt in unserer Gesellschaft und das massiv. Da kann ich durchaus auch männlicherseits fordern, zu sagen, schaut doch mal hin.

01:14:44 Wie ist euer Männlichkeitsbild? Wo kommt es her? Also auch umgekehrt natürlich. Überhaupt, warum gibt es das Thema Gewalt? Es geht so viel schon in Sprache los, wie wir miteinander umgehen und wie wir miteinander umgehen sollten, um das einfach auch vielleicht zu verhindern, auch beim einen oder anderen Mal. Und ich meine jetzt nicht Gesetzlichkeiten oder so, sondern einfach im zwischenmenschlichen Miteinander, dass wir halt aufeinander schauen und da auch darauf achten.

01:15:10 Die Zahlen sind da, die können wir nicht wegwischen und diese Gewaltbereitschaft wird auch immer höher, habe ich persönlich das Gefühl. Und auch die Altersgrenzen werden immer niedriger, wo Gewalt getan wird. Und ich wäre dankbar für Wege, die du sagen kannst, die wir auch die Männer mitnehmen können.

01:15:30 Ja, also genau, das ist ja quasi gerade der Punkt, dass ich da befürchte, dass das da einfach nämlich nicht so gut funktioniert irgendwie. Aber hast du eine Idee, wie man Männer das Thema sensibilisieren könnte? Dem Mod vom Stream habe ich einfach gesagt, dass mir wichtig ist, dass man vielleicht einfach nicht immer überall stehen hat, dass es einfach nur um Gewalt gegen Frauen geht, sondern einfach um Gewalt prinzipiell. Aber wenn das statistisch nachgewiesen ist, es gibt ja Zahlen, das ist ja nichts.

01:15:57 was man sich ausdenkt. Die Zahlen zeigen eben dieses Bild. Ja, aber nur weil das eine mehr Straftaten sind, heißt das ja nicht, dass die anderen Straftaten weniger schlimm sind.

01:16:06 Es gibt, also ich habe eine schriftliche Anfrage zum Thema gestellt, weil Polizei Interesse hatte, Statistiken zu sehen, wie viele Gewalttaten gegen Männer stattgefunden haben. Und nachdem ich dann die Antworten bekommen habe, habe ich ein Netzwerk der Männer gefunden oder die sind auf mich gekommen, die dann gerade sich mit dem Thema befassen. Das heißt also, da hat Frau Stangel schon zu Recht gesagt, also wenn jetzt so große Zahl von Frauen betroffen sind, so 80, 90 Prozent der Betroffenen,

01:16:36 sind Frauen und 10 Prozent der Männer. Das heißt, wir haben 10 Prozent der Männer, die von Gewalt betroffen sind, aber im Vergleich zu Frauen ist es ja eine kleinere Zahl. Und bei diesem Netzwerk, die versuchen dann auch dieses Awareness, also Bewusstsein zu schaffen, also für alle Geschlechtergruppen, für alle sozialen Gruppen und so weiter. Die haben das nicht einfach, weil du hast ja zu Recht gesagt, ja, also wir haben im Fokus, und Gott sei Dank haben wir im Fokus, also so Schutz der Frauen gegen Gewalt, weil das ist ja so extreme Betroffenheit, die wir da haben. Aber nichtsdestotrotz.

01:17:05 Also wir haben da auch viele Männer, die unter Problemen leiden und vor allem so Polizisten und Polizisten haben von diesen Fällen berichtet, dass diese Männer gar kein Gehör finden, weil normalerweise sagt man ja, die Frau ist betroffen, der Mann ist aber irgendwie nicht so im Fokus. Und ich würde noch mal sehr gerne ergänzen, das Problem fängt ja schon da an, wenn man sagt,

01:17:29 Das ist weit weg von mir. Aber wenn man die Dunkelfeldstudien anschaut, ein Viertel aller Frauen hat das schon mal in ihrem Leben erlebt. Dazu gehören ja immer auch tatausübende Personen. Das heißt, wir kennen alle Betroffene und wir kennen alle auch tatausübende Personen. Und das ist nicht weit weg, sondern das ist sehr nah in unserem Bekanntenkreis.

01:17:51 Studien sagen auch, also die Autoritarismus-Studie, die Leipziger hat gefunden, dass ein Drittel aller Männer ein geschlossen antifeministisches oder sexistisches Weltbild haben. Also so Sachen wie, Frauen sollen sich mehr um Kinder und Ehefrau kümmern oder Ehefrau sein. Oder wenn Frauen zu viel fordern, dann müssen sie sich nicht wundern, wenn sie wieder in ihre Schranken gewiesen werden. Also es gibt hohe Zustimmungswerte zu solchen.

01:18:20 Geschlechterklischees und frauenfeindlichen Aussagen. Und da würde ich mir zum Beispiel total wünschen, dass die Männer mal aufstehen, die profeministischen Männer oder die fortschrittlichen Männer und ihren eigenen Geschlechtsgenossen sagen, hey...

01:18:34 das ist so nicht in Ordnung. Und das fängt an bei einem frauenfeindlichen Witz auf dem Schützenfest oder wenn mein Kumpel seine Freundin abwertet und ich stehe daneben. Und wie oft wird geschwiegen? Also wenn man sich auch diese MeToo-Fälle anschaut, wenn man sich anschaut, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, wie oft sagen die Männer nichts, schauen weg, gehen weg, sagen, ist nicht mein Problem. Und an der Stelle seid ihr alle gefragt, Männer, Frauen, alle Menschen, dass wir einschreiten in solchen Situationen.

01:19:03 Und weil das ist der Nährboden von Gewalt. Jede Form von menschenfeindlichen Einstellungen, dazu gehört nicht nur Sexismus, Frauenfeindlichkeit, sondern genauso Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus. Das sind alles Einstellungen, die sagen, eine Menschengruppe ist mehr wert als die andere. Und das ist der Nährboden für Gewalt. Und dagegen können wir uns alle einsetzen. Da ist die ganze Gesellschaft gefragt. Und das, finde ich, passiert viel zu wenig. Das als Appell an die Zivilgesellschaft. Erstmal vielen Dank.

01:19:33 an dich für deinen Impuls. Also wir werden das Thema, stellen wir jetzt die Männer unter Generalverdacht oder was passiert mit den Männern, noch mitnehmen für unseren nächsten Gast. Auch vielen, vielen Dank an Sie, Frau Stangel. Genau, wir wollen jetzt, nämlich danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wir wollen nämlich jetzt weitermachen mit der Frage.

Antigewalt-Trainings für Täter häuslicher Gewalt

01:19:56

01:19:56 Ja, was macht man mit Tätern? Wie stoppt man sie, bevor sie zuschlagen? Was ist eigentlich die Rolle von Männern insgesamt? Und dazu wird uns Mark Thomas zugeschaltet sein. Jetzt, da ist er. Hi. Ja, hallo. Vielleicht ganz kurz nochmal, weil das gerade Thema war. Ich weiß nicht, ob du da schon zuhören konntest. Also Männer, die sagen, ich habe doch mit dem Thema gar nichts zu tun. Ich fühle mich irgendwie unter Generalverdacht gestellt.

01:20:26 Das stimmt doch, oder nicht? Viele auf jeden Fall. Ich höre das zumindest sehr viel in der Beratungsarbeit. Die Arbeit, dass die Männer, die kommen sollen oder auch freiwillig da sind, viel argumentieren im Sinne von, die Männer sind alle schuld. Vor Gericht hat man als Mann sowieso keine Chance. Das sind dann so die klassischen Abwehrstrategien, könnte man sagen, aus fachlicher Sicht. Um so Scham ein bisschen abzumildern und die Verantwortung zu verschieben.

01:20:55 dann in der Regel eben an die Frauen, an die betroffenen Frauen. Du sprichst jetzt aber in dem konkreten Fall tatsächlich um Täter. Das muss man unterscheiden, dass sich jemand angesprochen fühlt, der sagt, ich habe damit nichts zu tun oder jemand, der tatsächlich Täter ist und dann zu so einer Beratung kommt. Also du machst Antigewalt-Trainings bei Männern. Wie läuft sowas ab? Wie kann ich mir das vorstellen? Wie wird jemand wieder lieb?

01:21:22 Im besten Fall ist das dann das Ziel oder das Ergebnis, was ich mache, ein sogenanntes tatorientiertes Programm oder ein soziales Trainingsprogramm für Täter häuslicher Gewalt. Das läuft in der Regel so ab. Es gibt freiwillige Menschen, es gibt Menschen, die gewiesen werden aus der Justiz oder Jugendamt, Familiengericht. Und der Ablauf ist erstmal so, dass es eine Aufnahmephase gibt. Das sind drei bis fünf Sitzungen, einmal die Woche um die 50 Minuten. Da wird eine große Anamnese gemacht.

01:21:49 Und auch Diagnostik, um zu schauen, ob die Person, der Mann in dem Fall dann bei uns, ob der überhaupt gruppenfähig ist oder programmfähig ist. Und dann geht es in Gruppensitzungen weiter. Das sind dann bei uns insgesamt 34 Sitzungen. Die finden einmal in der Woche abends statt, anderthalb Stunden. Das heißt, das Programm geht um die zehn bis elf Monate. Und da wird ganz konkret an Gewaltverhalten, am partnerschaftlichen Gewaltverhalten gearbeitet. Ja, mit sehr verschiedenen Schwerpunkten.

01:22:16 Aber so konkret? Also ist es dann wie eine Therapie oder ist es körperlich? Also sind es eher so Übungen? Es ist keine Psychotherapie. Das würde ja bedeuten, dass man ein Krankheitsbild behandelt, Depressionen, Angststörungen und so weiter. Das ist es nicht, weil Gewalt in aller Regel ein erlerntes Verhalten ist. Also wenn ich als Kind erlebe, also nicht wie meine Eltern gewaltig sind gegenüber oder auch miteinander, dann kann es sein, dass ich als Kind ganz unbewusst lerne, wie Gewalt funktioniert.

01:22:45 Gewaltmuster formen und das vollzieht sich eben im Wachsinnalter, perpetuiert sich immer weiter fort. Wir schauen aber, wo das vielleicht herkommt, wie das diese Struktur dieses Musters ist und versuchen eben, dass das wieder verlernt wird. Und da geht es gerade am Anfang ganz viel darum, dass die Verantwortung übernommen wird. Also die Verantwortung liegt ganz klar auf Täterseite. Ich kann da meinen VorrednerInnen nur beipflichten. Die Männer, die die Gewalt auswählen, sind auch verantwortlich, dass das aufhört. Also nur die können den Gewaltlauf brechen.

01:23:14 Ja, wie gesagt, Verhandlungsübernahme ist ein großer Aspekt. Der Gewaltbegriff wird viel gesprochen. Also wir arbeiten mit einem sehr breiten Gewaltbegriff. Viele Menschen denken bei Gewalt vielleicht eher an körperliche Gewalt. Ist es natürlich auch, aber ganz wichtig ist zu gucken, dass es auch normale Gewalt gibt, psychische Gewaltformen, die manchmal auch noch schlimmere Auswirkungen haben als körperliche Gewalt. Wenn man da jetzt einseitig gucken würde, vielleicht als kurzes Beispiel, aus einer fachlichen Sicht könnten wir ja theoretisch sagen, okay, wir behandeln einfach nur körperliche Gewalt.

01:23:43 dann würde ein sogenannter Verschiebungseffekt eintreten. Dann würden vielleicht die Männer in den Gruppen, die körperlich gewalttätig sind, das reduzieren, aber die psychische und verbale Gewalt würde dann sprunghaft ansteigen. Das wäre natürlich fatal. Was auch viele Männer machen, das heißt alle Männer, müssen wir uns auch eine sogenannte Tatrekonstruktion durchlaufen. Also es wird geguckt, was ist die Initialtat, warum ist jemand da. Ob freiwillig oder gewesen, spielt da keine Rolle.

01:24:11 Und dann wird es auf verschiedenen Ebenen quasi reflektiert, um alternative Konfliktlösestrategien zu üben. So zum Beispiel. Es geht immer darum, dass im Endeffekt die Steuerungsfähigkeit erhöht wird unserer Klienten. Das heißt, wenn ich als Täter merke, wann ich wie und warum wütend werde, wie kann ich dann damit umgehen, um nicht zu eskalieren?

01:24:34 Ja, hier ist eine Frage direkt an dich aus dem Chat dazu. Funktionieren diese Kurse gut oder gibt es eine hohe Rückfallquote, falls etwas dokumentiert wird? Ja, es ist natürlich super schwer, das zu messen. Also wissenschaftlich könnte man das eigentlich nur messen, wenn jemand, der das Programm abschließt, dann auch noch Jahre später begleitet wird und nochmal befragt wird, so ganz empirisch. Das ist schwierig. Es gibt ein paar Wirksamkeitsstudien, die die Wirkung belegen. Da wäre ich aber immer etwas vorsichtig damit, weil im Endeffekt, wenn jemand das Programm durchläuft und fertig ist,

01:25:04 kann man nicht genau wissen, ob jemand gewaltfrei bleibt. So aus meiner Erfahrung, also ich bin jetzt neun Jahre dabei, habe ich, wenn ich das mal so über den Daumen peile, vielleicht bei so bei 70 Prozent ein sehr gutes Gefühl. Sie kann nicht mit einem guten Gefühl gehen lassen. Das heißt aber nicht, dass diejenigen auch gewaltfrei bleiben. Vielleicht zu dem Zeitpunkt ja, aber ob das so ist, weiß ich nicht.

Strukturelle Herausforderungen und Gesetzesinitiativen in der Täterarbeit

01:25:26

01:25:26 Eine weitere Frage an dich. Kann Thomas noch etwas zu den Strukturen seines Fachs sagen? Ist die Täterarbeit gut aufgestellt? Wird sie gefördert? Wie sind da die Anfragen? Ja, gute Frage. Das ist bundesweit leider sehr unterschiedlich. Also es gibt Bundesländer, da gibt es ein flächendeckendes Angebot, da ist das sehr ausgedünnt. Oft ist es leider so, dass die Finanzierung wesentlich besser laufen könnte und auch müsste.

01:25:53 Wo viele Träger oder viele soziale Träger kraxeln und echt kämpfen müssen, dass es das weiterhin gibt. Was ja schade ist, also da könnte das sicherlich besser sein. Es ist auch leider immer noch ein recht junges Feld, die Theaterarbeit und wird leider auch vergessen, weswegen ich super finde, dass ich heute hier sein darf. Aber da ist auf jeden Fall noch mehr zu holen. Verstehe. Und kommen, für mein Verständnis, kommen die dann freiwillig zu dir oder werden die gezwungen?

01:26:19 Wie viel Prozent kommen tatsächlich selbst und wie viele werden gezwungen und merkst du da Unterschiede in der Arbeit? Ja, also ich kann das nur für meine Stelle sprechen. Ungefähr drei Viertel sind im Zwangskontext da. Also das heißt mit einer justiziellen Auflage von der Staatsanwaltschaft oder vom Strafgericht, Familiengericht, Jugendämter können empfehlen. Also auch Zwangskontext. Ein Viertel ist ungefähr freiwillig. Die nennen wir dann Selbstmelder. Das macht für die Arbeit überhaupt keinen Unterschied. Also wir arbeiten mit allen gleich, weil...

01:26:46 Die Gewaltformen sind ja auch nicht ausgerichtet an irgendwelchen Auflagen. Von daher gelten auch für alle die gleichen Regeln. Spannenderweise ist es oft so, finde ich, dass die Menschen, die gewiesen werden, vielleicht weil die extrem motiviert sind, also es gibt ja die Auflage im Nacken, dass die etwas motivierter sind am Anfang als die Freiwilligen, aber das ist auch nicht so die Regel. In der Regel muss bei allen am Anfang gleichwertig auch viel Motivationsarbeit betrieben werden, damit die Täterstrategien oder die...

01:27:14 die Abwehrstrategien, die eben auch schon oft benannt wurden, dass die abgebaut werden. Also alles, was dafür sorgt, dass ich als Täter die Verantwortung verschiebe an mein Umfeld. Sowas wie, ich habe meine Frau nicht geschlagen, ich habe sie nur kurz berührt oder ich habe sie nur geschubst, dann ist sie die Treppe runtergefallen, ich habe sie mit der Hand ausgerutscht. Das sind alles Reformen, wo die Verantwortung an die Partnerin abgegeben wird. Ob jetzt gewiesen oder freiwillig, das...

01:27:41 Das tritt bei allen auf. Das ist aus psychologischer Sicht durchaus sinnvoll, weil das die psychische Belastung etwas abmildert. Aber wenn das bleibt, also wenn diese Abwehr bleibt, dann gibt es keine Verantwortungsübernahme und auch keine Verhaltensveränderung. Weil dann werde ich als Täter immer ein Hintertürchen haben, wo ich mein Umfeld verantwortlich machen kann für mein Verhalten.

01:28:03 Eine Frage von Leonie Berliner. Ist Täterarbeit im Gewaltschutzgesetz angeschlossen? Tatsächlich nicht, oder? Jetzt im neuen Gewaltschutzgesetz? Ah, Gewalthilfegesetz. Genau, das neue Gewaltschutz wurde ja nicht verändert.

01:28:22 Im Gewalthilfegesetz, glaube ich, ist es mit erwähnt. Auf jeden Fall ja auch in der Istanbul-Konvention, wo man ja sagen könnte, Gewalthilfegesetz ist ein wichtiger, guter Teil davon. Soweit ich weiß, ist es da erwähnt. Aber merken tun wir in der Täterbeit noch nicht was davon, leider.

01:28:38 Naja, das startet ja jetzt auch erst die Umsetzung des Gewalthilfegesetzes und es gibt auch eine Gesetzesinitiative, dass es im Gewaltschutzgesetz mit aufgenommen wird. Also das heißt, wenn Kontakt- und Nährungsverbote oder Wohnungszuweisung erfolgt, dass man dann auch über diesen Weg vom Familiengericht eine Weisung zur Täterarbeit machen könnte. Also das wäre sinnvoll, das noch mit ins Gesetz zu verankern. Das Gesetz konnte auch nicht mehr verabschiedet werden in der letzten Legislaturperiode, wäre aber auch nochmal aufzunehmen.

01:29:08 Und was ja im Moment total viel diskutiert wird, ist diese elektronische Aufenthaltsüberwachung, also diese sogenannte Fußfessel. Auch da wäre es natürlich zwingend notwendig, dass begleitend dazu Arbeit mit dem Täter passiert und nicht nur eine Fußfessel eingelegt wird. Und natürlich muss das ausreichend finanziert werden. Und im Idealfall auch Fallkonferenzen stattfinden, interdisziplinäre Fallkonferenzen, dass sich alle Berufsgruppen, die mit dem Fall beschäftigt sind, nochmal anschauen. Hochrisikofall.

01:29:36 Wie schätzen wir die Gefährdung ein? Wie können wir verhindern, dass Schlimmeres passiert? Und da ist auch die Sicht der Täterarbeit total wichtig. Das scheitert manchmal noch am Datenschutz, weil auch die Bundesländer sehr unterschiedliche Datenschutzregelungen haben. Aber das ist zum Beispiel eine Forderung, die wir als BFF auf jeden Fall haben, dass verpflichtend bundesweit standardisierte Gefährdungsinstrumente eingesetzt werden und interdisziplinäre Fallkonferenzen stattfinden, die dann auch entsprechend finanziert werden müssen.

01:30:06 hat da jetzt gerade einen guten Vorstoß gemacht. Die setzen das jetzt um. Eine Frage direkt dazu. Die CDU ist, kann man sagen, großer Fan von Fußfesseln oder eher quasi für schärfere Barstam. Und dann hören wir aber auch auf der anderen Seite, es fehlt an Geld bei der Täterarbeit, beim Gewaltschutz bei den Frauenhäusern.

01:30:28 Warum setzen Sie auf das eine Mittel, aber dann fehlt es auf der anderen Seite an so vielen Stellen? Bei uns ist das Thema Fallkonferenzen ein großes Thema und auch Fußfesseln ist auch ein großes Thema. Da hat auch die Justizsenatorin gesagt, wir wollen das jetzt mal ausprobieren und wir wollen das auch umsetzen. Das heißt, ich würde nicht sagen, dass wir da jetzt irgendwie hinterherlaufen, sondern es ist mehr oder weniger so breiter Konsens, weil da sind ja verschiedene Senatsverwaltungen, die miteinander zusammenarbeiten. Und ich denke schon, dass wir auf diesem Wege sind.

01:30:57 Frau Kitzeltepe hat gesagt, Fallkonferenzen brauchen wir. Da kann ich auch jetzt das Ganze voll und ganz unterstützen, weil das ist genau so dieser Austausch, diese Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Betroffenen und Behörden, die also jetzt mal so Jugendamt, Polizei, die an einem Tisch sitzen und konkreten Fall sich anschauen. Warum dauert das in Berlin so lange? Es gibt ja andere Bundesländer, wo das schon ganz gut funktioniert. Bei manchen Sachen sind wir deutlich besser, bei manchen sind wir langsamer. Datenschutz ist bei uns ein enormes Thema, muss ich sagen. Und da habe ich meine persönliche Escapsis.

01:31:26 nicht wie Datenschutz über Opferschutz irgendwie steht. Aber das ist meine persönliche subjektive Meinung. Also so, wir hatten jetzt auch bei letzter Plenarsitzung den Bericht der Datenschutzbeauftragten, die dann schon ausführlich dargestellt hat, also verschiedene Aspekte von Datenschutz in Berlin. Das heißt, wenn wir was haben, dann muss auch Opfer in der Hinsicht geschützt werden, dass danach auch nicht irgendwie Gerichtsprozesse stattfinden, wo zum Beispiel die Datenrechte von Täter auch so betroffen sind, dass er dann aus der Geschichte rauskommt unbestraft.

01:31:56 Allein aus diesem Grund. Berlin will alles sehr gründlich prüfen und sobald das jetzt mal alles geklärt wird, dann hoffe ich auch, dass wir mit Fallkonferenzen, aber auch Fußfesseln anfangen. Okay, das heißt, es wird gründlich geprüft und dann irgendwann umgesetzt. Vielen Dank an dich für den Impuls zur Täterarbeit. Danke sehr.

01:32:20 Weiter, denn unser nächster Gast, unsere nächste Gästin steht schon bereit. Wir wollten nämlich, oder ich wollte heute auch über Hass im Netz sprechen. Laut BKA gibt es hier einen, also den größten Anstieg, plus 25 Prozent zum Vorjahr. Und dafür ist Carina Pusch uns hier zugeschaltet. Hi, schön, dass du da bist. Hallo. Hi. Also, wir, also man kann über diese Sache mit Apparat, gibt es stundenlange.

01:32:49 YouTube-Videos. Und wir haben nicht mehr so viel Zeit. Ich würde dich bitten, vielleicht ganz kurz, wenn es geht, so kurz wie möglich zusammenzufassen, was da passiert ist und vor allem, womit du danach konfrontiert warst im Netz. Also welche Art von Nachrichten dich dann da erreicht haben. Ich glaube, sie ist stumm, oder? Ja, dein Mikro ist leider noch nicht offen.

01:33:16 Und herzlich willkommen in deiner Community. Danke für den Rate. Aber wir hören dich leider immer noch nicht. Das liegt an Streams Together manchmal. Ach, jetzt aber. Oder war ich das? Immer noch nicht. Nee, das war ich, glaube ich. Der hilfreicher ITler. Ja, sehr gut.

01:33:47 Jetzt geht es. Super, danke. Hast du mich aber gehört, Carina?

01:33:56 Ich habe euch gehört, genau. Ich soll einmal ganz kurz grob zusammenfassen. Ja, genau. Einmal ganz kurz in einer Minute. Erstmal nochmal Hallo an alle und Dankeschön, dass ich hier sein kann. Und auch nochmal ein großes Danke an Frau Stange und Frau König, falls Sie noch da sind, dass Sie hier Ihre emotionale Geschichte geteilt haben und hiermit aufklären. Das ist gerade in so emotionalen Thematiken immer super wichtig. Genau.

01:34:21 Ich komme einfach mal zu dem Fall und fasse das, was ich so erlebt habe, kurz zusammen. Ich bin Carina Pusch, ich mache Kunst, ich bin Künstlerin, Bodypainting-Kram eigentlich. Das war eigentlich mein Content jahrelang. Und 2020 kam es halt dazu, dass sich mein Kunst-Content ein bisschen geändert hat oder sehr...

Enthüllung von Belästigungserfahrungen und die Folgen in der Social-Media-Welt

01:34:46

01:34:46 gestört wurde, sagen wir mal so. Und zwar hat Apparatus, das ist ein anderer sehr großer YouTuber, hat ein Video gemacht, in dem er 20 Minuten eine Frau als wirklich dreckige, hässliche, alle Beleidigungen, die euch so einfallen, hat er fallen lassen. 20 Minuten lang, da ging es um einen Belästigungsfall. Er hat sie damals

01:35:10 belästigt und sie hat darüber ein Video gemacht, hat aber die Täternamen nie genannt. Ein anderer YouTuber hat das dann Jahre später veröffentlicht und genau, der Täter hat sich dann hingestellt und nicht dem Mann, der es öffentlich gemacht hat, angegriffen, sondern ist direkt auf die Frau, hat ein 20 Minuten Beleidigungsvideo gemacht. Ich habe das gesehen, dass sie da von Hunderttausenden Hasskrieg, Mordrungen und sonst was und dachte mir, das kann ich mir nicht angucken.

01:35:36 und habe mich dann öffentlich geäußert und meine Geschichte erzählt, weil ich wurde von dem gleichen Täter halt auch schon belästigt und hatte da auch Belege, Indizien, dass ich darüber damals schon mit Freunden geschrieben habe und so und habe dann das öffentlich gemacht und auch Täternamen benannt, was sie ja damals nicht gemacht hat. Das heißt, ich habe mich da natürlich in eine totale Angriffssituation begeben.

01:36:05 Was es mir aber auf jeden Fall wert war, da meine Rufkarriere alles in Brand zu stecken, weil ich wusste, das ist jetzt gerade unfassbar wichtig, da diese Statements zu setzen, da moralisch richtig zu handeln, dieser Frau beizustehen.

01:36:21 Und genau, daraus entwickelte sich... Es hatte aber seinen Preis, ne? Ja, es hatte seinen Preis, dann ging es richtig los, dann wurde ich natürlich zur Zielscheibe. Es wurden Videos über mich hochgeladen vom Täter, der tatsächlich, also alleine in der ersten Woche kam jeden Tag fast ein Video mit 500.000 Aufrufen, mein Gesicht auf dem Thumbnail, größte Lügnerin, sonst was im Titel. Also ich hätte auch nie damit gerechnet, dass es so eskaliert. Genau, und...

01:36:50 Letzten Endes ist, um das abzukürzen, ist daraus ein dreijähriger Gerichtsprozess geworden. Er hat etliche Videos gemacht.

01:36:59 Und hat alles verloren. Also ich habe 100 Prozent gewonnen vor Gericht mit Vollbeweis. Ich habe mit einem anderen YouTuber zusammengearbeitet. Es ist eine komplette, ich sage mal, auf Selbstjustizebene auch noch eine Online-Reihe entstanden, die sich detailliert damit auseinandersetzt. Also fast elf Stunden kann man sich diesen ganzen Fall im Detail angucken. Es ist auch sehr lustig gestaltet.

01:37:25 Genau. Und das ist halt der erste MeToo-Fall gewesen in der Social-Media-YouTube-Szene. Vor allem der so detailliert nachverfolgbar ist mit einem gewonnenen Gerichtsprozess, mit einer detaillierten Online-Auseinandersetzung. Und man muss da ganz klar natürlich auch diese Machtverhältnisse mal sehen, weil als die Belästigung passiert ist, hatte ich selber noch keine Stimme.

01:37:51 Und es hat sich halt mit den Jahren entwickelt, dass ich selber Influencer auch bin und da eine Stimme hatte und dann überhaupt gehört wurde. Und trotzdem war es so, dass ich komplett überrannt wurde mit, du bist eine Lügnerin. Also ich habe wirklich die ersten Wochen vor allem in einer...

01:38:12 Also wirklich alle fünf Minuten kamen etliche Nachrichten. Meine ganzen DMs waren voll. Also der Frauenhass, der da auf mich eingepresselt ist, das war schon ordentlich. Aus dem Chat gibt es gerade ganz viel Liebe für dich, vielleicht ganz kurz einmal geschoben. Also großer Respekt für ihren Mut. Dank ihrem Mut konnte eine andere Mut fassen und ihren damaligen Täter anzeigen, der ins Gefängnis dafür kam. Du hast also was bewegt.

Die Rolle von frauenfeindlichen Witzen und Aussagen in Social Media und die Notwendigkeit der Selbstreflexion

01:38:40

01:38:40 Genau, hier direkt eine Frage an dich. Was sagst du zu frauenfeindlichen Witzen und frauenfeindlichen Aussagen von anderen Influencern? Also hier, da geht es um die Plattform generell. Also das ist generell auf der Plattform, ich glaube, sowohl im Real Life als auch in Social Media ein Riesenproblem, natürlich. Gerade frauenfeindliche Witze oder generell alles, was in die misogyne Richtung geht, ist ja wie...

01:39:08 Man sagt ja quasi, wie diese Femizid-Pyramide oben ist das tragische Schicksal mit dem Femizid. Und es fängt ja schon in der Erziehung an, dass irgendwelche Witze gemacht werden, dann geht es über Belästigung. Also so ein Femizid passiert ja auch nicht von heute auf morgen mal eben so, sondern es ist ja internalisierte Misogynie, wovon wir alle irgendwo auch betroffen sind.

01:39:32 Weil wir nun mal einfach in ein System geboren sind, das halt patriarchale Strukturen hat. Und ich glaube, man muss sich das einfach immer wieder versuchen, bewusst zu machen und so gut es geht, selber an sich zu arbeiten, Selbstreflexion zu betreiben und vielleicht andere auch outcallen. Gerade auch Westcliff hatte gefragt, was für die Lösung wäre. Und da wäre ja vielleicht auch die Lösung für ihn, einfach mal bei sich selber ansetzen und fragen, was kann ich denn machen, dass die Männer in meinem Umfeld oder meine Kollegen

01:40:01 ein bisschen empathischer drauf sind, wenn jetzt der Kollege catcallt, dann vielleicht auch mal dazwischen gehen und sagen, ey, das geht gar nicht. Und das ist halt super wichtig, gerade im Feminismus, dass Männer mitmachen. Wir brauchen Männer, damit sich was ändert. Und deswegen ist da ein Lösungsansatz wirklich, sich auch als Mann in sich zu gehen oder auch selber.

01:40:31 Da kann sich, glaube ich, jeder auch an die eigene Nase fassen. Ich glaube, jeder hat schon mal in seinem Leben in irgendeiner Weise etwas Sexistisches oder Amelistisches, ob es jetzt bewusst oder unbewusst war, gesagt. Und ich glaube, es ist wichtig, sich da selber immer wieder zu hinterfragen. Genau.

01:40:50 Das ist ein gutes Stichwort für den nächsten Gast, den ich gerne dazu holen möchte, denn wir wollen ja heute auch darüber sprechen, wo kann man früh ansetzen? In der Schule zum Beispiel, was kann man machen gegen ein frauenfeindliches Weltbild? Und Herr Hertha ist im Internet unterwegs, aber auch in Schulklassen. Ich würde gerne das nächste Thema genau mit euch beiden gemeinsam diskutieren. Carina hat es schon angesprochen, also Männer müssen irgendwie mitmachen.

01:41:19 da und daran muss ich irgendwie noch denken, der sagt, naja, aber es sind doch nicht alle und ich fühle mich irgendwie als Mann auch unter Generalverdacht gestellt.

01:41:27 Du arbeitest jetzt mit jungen Männern, genau. Sag doch gerne mal, wie kann man denn alle mitnehmen bei diesem Thema und das so machen, dass sich eben nicht alle Männer beschuldigt fühlen. Ja, also erstmal ganz kurz nochmal dazu vielleicht nur einen ganz, ganz kurzen Kommentar. Das fand ich zum Teil wirklich, wirklich schwierig, dass man halt so darüber spricht über das Thema und sich Männer dann doch wieder zum Mittelpunkt machen. Aber das fängt ganz, ganz früh an. Und es gibt halt verschiedene Punkte. Ich würde das gerne von Carina mal aufgreifen. Hallöchen erstmal Carina. Hallo.

Social Media als Bildungsfaktor und die Notwendigkeit der Medienkompetenz

01:41:56

01:41:56 Das ist praktisch der Punkt und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Social Media ist halt leider oftmals der Punkt, wo man sagen kann, Plattform erziehen die Schüler und Schülerinnen halt mit und die werden halt kaum, ich sage jetzt mal irgendwie kontrolliert, es wird nicht drauf geschaut und TikTok, Twitch, YouTube und Co. sind eigentlich der neue Schulhof der jetzigen Zeit. Und dieses Teilen dieser frauenfeindlichen Inhalte und Co. ist halt meistens nur Klick entfernt und ist halt eher was Spaßiges.

01:42:25 Und über diesen spaßigen Take kommt es halt in die Köpfe rein. Es wird in die Köpfe übernommen, die Erzählung, die Narrative. Und ganz, ganz großes Problem eben auch, gerade wenn wir halt über uns als Creator sprechen, dass die großen Creator, die meistens Männer sind, eben oftmals in ihren Streams, in ihren Aktionen Frauen herabwürdigen, sich selbst, wie wir es eben auch hatten bei dem Herrn, sich in Opferrollen inszenieren und dann eben so tun.

01:42:51 Als wäre das alles ja nur so eine gemachte Sache, um das nächste Thema zu haben als Trend. Ja, und da sehe ich ja zum Beispiel eine große Verantwortung auch der Politik. Wir haben ja noch immer auch immer aus der Politik hier sitzen, dass man eben sagt, man muss halt die Plattform regulieren, konsequent und auch, und das ist wichtig, die Stärkung der Medienkompetenz an die Schulen holen. Es geht halt nicht nur darum, dass man sagt, das ist böse und verbietet, verbietet. Das ist halt Quatsch, weil das ist die Lebenswelt von uns allen. Jeder von uns ist am Handy. Man muss aber die Kompetenz in die Schulen holen. Ja, da würde ich halt...

01:43:19 Apropos, sehr gutes Stichwort, es gab großen Aufschrei, weil die Bildungssenatorin ein sehr wichtiges Projekt, da geht es um Gewalt, das ist so beliebt, dass es ausgebucht war bis 2026, Streifenworte, genau. Wurde aber übernommen, also von der Innensenatsverwaltung, deswegen freue ich mich, dass es zumindest 2025 fortgeführt wird, aber wichtiger Stichpunkt tatsächlich, also Gewaltprävention und Arbeit an den Schulen. Man kann das als gemeinsamer Erfolg werten.

01:43:48 Allerdings war das eine CDU-Bildungssenatorin, die das streichen wollte. Dann ist die SPD-Innensenatorin eingesprungen und hat gesagt, okay, dann bezahlen wir das, damit das fortgesetzt werden kann. Aber wie kommt man denn auf die Idee, so ein wichtiges Projekt überhaupt erst zu streichen? Ja, also es geht um Gewaltprävention gegen Frauen und deswegen war das auch dann entsprechend übernommen. Also die Häuser haben auch ihre Einzelpläne und müssen auch in diesem finanziellen Rahmen sich bewegen. Also zu sparen macht überhaupt keinen Spaß. Das ist ja für uns auch eine...

01:44:17 ganz krasse Aufgabe, die ich ja jetzt seit dem Mandat habe, seit Februar 2023 und da kommt man am ersten Tag als neue Abgeordnete und bekommt den Hinweis, naja, jetzt geht es los, also ihr müsst ja Haushaltsverhandlungen machen. Wir haben jetzt auch die nächste Runde sozusagen, Haushaltsverhandlungen 2026, 2027 und werden versuchen dann natürlich alles Wichtige zu retten und fortzuführen. Deswegen, also wir haben die Aufgabe auch und ich finde diese Prävention an den Schulen extrem wichtig auch.

01:44:47 dieses Bewusstschaffen an den Schulen, manchmal auch sogar früher, in früheren Phasen an den Kitas, extrem wichtig. Und wichtig wäre auch, dass es nicht nur einzelne Projekte sind, weil wir haben in allen Feldern total tolle Best-Praxis-Modelle, die sich bewährt haben und die müssen in die Fläche gebracht werden und wirklich in die Strukturen integriert werden, dass sie allen zur Verfügung stehen und einfach Pflichtprogramm werden sozusagen und nicht nur ein Projekt, was irgendwie dazu kommt.

01:45:14 Kann ich dazu ganz kurz was sagen? Das ist für mich auch der wichtige Fall. Viele Schulen hängen sich halt ein Schild vor die Schule und sagen, wir haben mal eine Woche lang was gemacht zu der Gewalt gegen Frauen. Und wie gesagt, der Mann eben hat ja so getan, als gäbe es kein strukturelles Problem. Aber es ist ein strukturelles Problem, es muss auch strukturell verankert werden und nicht nur eine Projektwohre geben. Das ist das Wichtigste.

01:45:36 Und da fehlt es halt zum Beispiel auch wieder an den Lehrplänen, was ja auch wieder ein politisches Thema ist. Das ist ja übrigens, dazu gibt es auch auf Berliner Ebene Aktionsplan und da gibt es da auch, also dieser Bereich Bildung und dann auch entsprechend Prävention, wo genau die Lehrpläne überarbeitet werden müssen, gerade in Bezug auf diese Frage, weil ich glaube, also das Thema ist angekommen, also spätestens mit dieser Miniserie von Netflix, Adolescence, also ich glaube, dass... Aber es braucht doch keine Netflix-Serie, damit der Berliner Senat mal auf den Weg kommt, oder?

01:46:05 Leben ist eine Sache, aber Bewusstsein zu schaffen. Ja, weil zum Beispiel ist es ja vielleicht bei den Leuten, die sich mit dem Thema befassen, gang und gäbe das Thema, aber in der breiten Gesellschaft und vor allem bei Elternhäusern, weil zum Beispiel viele Eltern denken, dass die Schule verantwortlich ist für Erziehung der Kinder und dass Kinder alles richtig im Leben machen und sehen diese Verantwortung nicht unbedingt bei sich. Und deswegen also das, was in Großbritannien passiert ist, also wo jetzt mal Premierminister gesagt hat, oh Gott, oh Gott, da ist sogar bei meinen Kindern jetzt Bewusstsein, was noch da.

01:46:34 kommen muss. Ich glaube schon, dass es hilfreich ist. Also an sich ja alle Maßnahmen, die helfen können, die können ja auch in Betracht gezogen werden. Eine Frage direkt dazu an dich, Herr Hertha. Fühlt sich Herr Hertha als Lehrer manchmal hilflos, weil er gegen die heutige Jugend mit der Social Media Erziehung nicht mehr ankommen kann als Lehrer?

01:46:56 Ich glaube, ich fühle mich hilflos, wenn ich halt darauf schaue, wie viele KollegInnen von mir nicht in der Lage sind, mit dem Thema umzugehen. Und das hat auch viele Kolleginnen, viele Lehrer und Lehrerinnen sich dem Ganzen auch noch mit anbiedern und sagen, ja stimmt.

01:47:10 Was tragen denn die Frauen heute wieder, die lenken ja die Jungs ab etc. pp. Also da ist halt auch eine, wie gesagt, wir haben ein strukturelles gesellschaftliches Problem, was halt angegangen werden muss. Und das bezieht sich halt auf alle Generationen, auch auf die Lehrergeneration. Und ja, also in dem Fall fühle ich mich überfordert, weil ich mich alleingelassen fühle, glaube ich, vom Rest der, ich sage jetzt mal, zuständigen Kräfte.

01:47:32 Der Punkt ist ja, die Lebenswelt der SchülerInnen, die habe ich ja schon aufgegriffen, weil ich selbst das auf Social Media mache, das war ja der Plan, dass ich zeige, ich nehme eure Lebenswelt ernst und da geht es halt schon los, dass einfach eine Lehrerin sagt, ein Lehrer sagt, okay, was habt ihr denn für ein Video geschaut und nicht sagen, das ist halt alles doof, was ihr guckt, das ist alles Blödsinn, sondern man nimmt das und nimmt das halt auch als Thema für den Unterricht. Das ist halt wichtig.

01:47:52 Ich glaube, unfassbar wichtig ist auch, dass in den Köpfen ankommt, dass eben viele Ältere, da ist ja auch einfach so ein Generationsgap, dass viele...

01:48:04 ältere Leute gar keine Ahnung haben, was im Internet abgeht. Also das hatte sogar ich im Gerichtsprozess, also dass sogar die Richter, ich musste erst mal eine halbe Stunde erklären, wie Instagram funktioniert. Und wenn das sogar auf juristischer Ebene so ist, dass wenn es da um Frauen als im Internet geht und um Victim-Blaming und da noch nicht mal die Grundbasis vorherrscht bei Richtern, dann ist das natürlich ein großes Problem. Und so gibt es natürlich auch viele Lehrer, die da gar nicht

01:48:34 nicht den Einblick haben. Deswegen kann man sehr froh sein, dass es Leute wie Herr Hertha hier gibt, die in der Social Media Welt agieren und da eben auch Aufklärung betreiben können.

01:48:46 Das sollte halt wirklich als festes Fach, müsste es wirklich in der Schule eigentlich sein und nicht nur, was Social Media Kompetenz angeht, sondern halt auch viel mehr den Selbstwert oder die Kommunikation von jungen Menschen stärken, weil ich glaube, dass gerade mit AI und Social Media, das wird nur alles größer und größer. Ich glaube, dass es unfassbar wichtig ist, aufzuklären, wie die Strukturen sind, auch gerade was Influencer angeht, irgendein Influencer.

01:49:16 sagt was, das habe ich auch in meinen DMs gesehen. Ich wusste immer genau, wann der Hate von wem kommt. Also sobald irgendwer was gepostet hat mit irgendeinem Lach-Emoji oder bestimmte Wörter benutzt hat, hatte ich genau diese Wörter und genau diese Emojis in meinen DMs. Also wirklich wie Lemminge sind die Zuschauer teilweise. Wirklich, und das ist traurig. Und das ist ja genauso, wie er gerade gesagt hat, dass es wirklich so ist, dass so ein bisschen der Schulhof oder teilweise sogar die Lehrperson irgendwie ein bisschen...

01:49:45 ersetzt wird von Creatoren, weil die Zuschauer, vor allem viele junge Menschen, die haben diese Menschen als Vorbilder. Und wenn dann ein Vorbild da ist, was sich unter aller Sau benimmt, na ja, dann machen das alle. Und da wäre es wichtig, wirklich in der Schule ...

01:50:00 aufzuklären, was sind denn Dynamiken, vielleicht auch mal Fakten prüfen und vor allem auch den eigenen Selbstwert stärken, was halt gerade auch so Mobbing angeht, dass wenn solche Situationen kommen, dass man da vielleicht nicht so angreifbar ist. Man muss da ja gucken, dass man vor allem auf die Täter natürlich geht, aber auch guckt, wie gehe ich denn mit sowas um, wenn sowas passiert? Wie solidarisiere ich mich? Wie gehe ich mit anderen Opfern um? Und wie kann ich das selber ertragen überhaupt?

01:50:30 Es ist wichtig, dass es tatsächlich auf allen Ebenen passiert, weil zum Beispiel für Jugendliche ist es wichtig, dass man nicht nur in der Schulklasse jemanden hört, der da jetzt irgendwie wichtige Sachen erzählt, sondern ihr seid ja jetzt da unterwegs, ihr spricht die Sprache, die für Jugendliche wichtig ist und die, die verstehen, die dir auch annehmen, ihr seid ja cool für die. Das heißt also, diese Akzeptanz ist auch da, weil also wenn Vorbilder auch in Social Media zum Beispiel unterwegs sind, die dann, egal was sie transportieren, die werden dann angenommen, die werden dann auch also zu Weltbilder.

01:50:59 dann zu Modellen, also Rollenmodellen von diesen Jugendlichen. Und deswegen ist es ja jetzt mal Aufgabe auf allen Ebenen. Aber ich würde Elternhäuser auf keinen Fall da ausschließen, ehrlich gesagt. Also wenn wir da die ganze Zeit die Aufgabe bei Influencern sehen oder bei Politik oder bei Schulen und dann irgendwie die Eltern da rauslassen, da habe ich mein Problem. Und ich glaube also, die Eltern sind sehr häufig, also gerade die, die sagen, ach Gott, ich weiß ja überhaupt nicht, was mein Sohn, meine Tochter jetzt im Handy hat, interessiert mich nicht, ich habe keine Ahnung, ist sowieso irgendwie...

01:51:28 Irgendwie nur was Komisches. Verstehe ich nicht. Was ist das überhaupt für Plattform? Und dann im Endeffekt sind die Jugendlichen, die sich dann schließen und das Elternhaus verlassen und irgendwo anders, wo die Antworten auf die Fragen suchen. Manchmal finden die ganz populistische Antworten auf schwierige Sachverhalte, was nicht unbedingt zielführend ist. Und wenn wir jetzt aber auch nochmal einen Bogen schlagen zu häuslicher Gewalt, was wir zum Beispiel in unseren Fachberatungsstellen feststellen, dass auch Partnerschaftsgewalt inzwischen in vielen Fällen auch mit einer digitalen...

01:51:58 Komponente einhergeht. Und auch Fachberaterinnen brauchen Wissen. Wir haben ein Projekt zu digitaler Gewalt im BFF, wo Kolleginnen und Beraterinnen in Fachberatungsstellen vor Ort schulen. Wie kann ich Betroffene unterstützen, wenn es digitale Gewalt gibt? Also was mache ich, wenn Spyware auf dem Handy ist? Oder allein schon zu erkennen, dass diese Macht und Kontrolle in der Beziehung eben manchmal auch auf digitaler Ebene stattfindet.

01:52:23 Und auch dafür braucht es eine Fachkompetenz, also sozusagen bei allen Beteiligten. Ja, hier ist ein Vorschlag, einfach Social Media ab 16 Jahren machen und fertig als eine Idee. Ich will noch mal kurz zu dem Frauenbild bzw. Weltbild kommen. Es gibt hier nämlich Zahlen, die haben mich total überrascht. Da geht es darum, welches Bild von Frauen einige in Deutschland haben.

Frauenfeindliche Einstellungen in Deutschland und die Bedeutung von Selbstwertgefühl und Solidarität

01:52:52

01:52:52 25,7 Prozent der Deutschen stimmen dieser Aussage zu. Frauen, die mit ihren Forderungen zu weit gehen, müssen sich nicht wundern, wenn sie wieder in ihre Schranken gewiesen werden. 20,2 Prozent der Befragten fanden, Frauen übertreiben ihre Schilderungen über sexualisierte Gewalt häufig, um Vorteile aus der Situation zu schlagen. 26,8 Prozent stimmen dieser Aussage zu. Frauen sollten sich wieder mehr auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter besinnen.

01:53:23 Ich finde das ganz schön viel, also allein die letzte Zahl, 26,8 Prozent. Ist das was, was dir auch in den Schulklassen begegnet oder auch an dich Carina im Netz?

01:53:34 Sind das so? Also das sind alles Sachen, die ich natürlich in meinen DMs schon, also in der Apparat-Thematik, gerade in dieser Hochphase, klar, es war alles voll. Also der Frauenhass, der ist da komplett widergespielt von Vergewaltigungsandrohungen zu Morddrohungen über auch so Sachen. Ich konnte ja noch nicht mal irgendwie, ich mache mir einen Kalkau mit Sahne und dann komme auf die Insta-Story, ja genau, du fällte Sau und was weiß ich nicht für Beleidigungen. Und ich habe über die ganze Sache gelangt.

01:54:04 weil ich ein starkes Selbstbewusstsein habe. Ich habe ein unfassbares Privileg, da drüber stehen zu können. Aber hattest du auch mal Angst? Nein, Angst hatte ich tatsächlich nicht. Vielleicht lag es auch daran, dass ich Glück hatte, dass es in der Corona-Zeit passiert ist und man einfach nicht so viel draußen war. Aber ich habe viele Sachen mit Humor genommen, wo ich jetzt im Nachhinein, wenn ich mir das nochmal so drehsperspektiv durchlese, denke ich mir so,

01:54:30 Wow, war das dein Coping-Humor, der dich da durchgebracht hat? Ja, wahrscheinlich. Aber da waren schon üblende Sachen dabei. Und ich habe auch mit vielen Freunden gesprochen. Und ich kenne Menschen in meinem Umfeld auch, die extreme Anxiety haben. Die schon die ganze Woche ist gelaufen, wenn irgendwer komisch geguckt hat in der Stadt oder irgendwie ein blöder Satz fiel.

01:54:53 Und ich kann mich gar nicht da rein denken, wie das ist, wenn ein Mensch, der Depressionen hat oder sowieso Mental-Health-Probleme, so eine Masse an Nachrichten dann kriegt. Und genau deswegen fand ich es ja so wichtig, dass ich das durchziehe, weil ich wusste, ey, ich pack das so, ich kann den Töter treffen, ich ziehe das durch und vor Gericht breit sprechen.

01:55:15 Und das muss man sich immer wieder bewusst machen, die wenigsten können das, weil da spielt so viel Traumatisierung ja auch rein. Dann hat man ja die drei Phasen der Viktimisierung, die primäre, sekundäre und theoretäre Phase, dass du erst mal die Tat an sich erlebst, dann als zweites Victim Blaming. Das kann ja von Justiz, Freunden, bekannten Lehrern, sonst wem kommen, dass halt...

01:55:40 hinterfragt wird, ist das denn wirklich passiert? Wie hast du dich angezogen? Oder ja, vielleicht hast du den hast ja auch verdient. Was hast du denn gemacht? Und dann die dritte Phase ist halt eben, dass man sich das selber glaubt, aufgrund dieser zweiten Phase. Und da habe ich das Gefühl, das vergessen viele, dass das nicht mal so eben...

01:56:01 psychisch verkraftbar auch ist und das ja auch immer noch darauf ankommt, was geht bei der Person, die das gerade erlebt, sonst noch im Leben ab? Und was ist überhaupt passiert oder wie verkraftet man den Hate? Deswegen meinte ich das ja auch gerade noch, dass man wirklich gucken muss, wie kann man seinen Selbstwert da so weit aufbauen, dass man da

01:56:23 sich vorschützt und aber eben auch guckt, dass das Täter präventiv am besten nicht existieren oder zumindest so gut es geht eingeschränkt werden.

01:56:35 Ja, ich würde gerne mit euch auf ein Land schauen, in dem vieles besser läuft in dem Bereich. Und gleich kommt auch noch unsere Korrespondentin, genau, Spanien, unsere Korrespondentin aus Madrid dazu. Sie hat aber einen sehr spannenden Film gemacht, einen kurzen Beitrag, der eben beschreibt, warum und was da anders läuft. Den würde ich einmal zeigen und dann kommt unsere Korrespondentin dazu.

01:57:06 Videos, die sprachlos machen. Veröffentlicht von der spanischen Polizei nach ihren Einsätzen. Jeder kann sie online anschauen. Denn Gewalt gegen Frauen soll in Spanien kein Tabuthema sein. Madrid im kleinen Theater del Barrio.

01:57:28 Eine, die so etwas erlebt hat, ist Pamela Palenziano. Allein spielt sie ihr Leben in Andalusien der 1980er Jahre.

01:57:38 Als Teenager verliebt sie sich in Antonio, der immer mehr Kontrolle über ihr Leben bekommt. Und irgendwann brutal zu ihr wird. Ich habe den Kopf geschüttelt, aber er küsste mich immer wieder, sagte, ich solle mich entspannen. Er kenne mich besser als ich. Er zog meine Hose herunter, ich fühlte mich, als würden tausend Steine auf meinen Körper fallen, bewegungslos. Er sagte super nette Sachen, aber auch super eklig. Und zum ersten Mal, ich liebe dich.

01:58:06 Meint ihr, ich stehe da auf und sage, verdammt Antonio, Mann, hey, du hast mich vergewaltigt.

01:58:14 90 Minuten Monolog. Mit Jacke wird Pamela zu Antonio, der irgendwann versucht, sie umzubringen. Auf der Bühne kehrt sie, ihr Innerstes, nach außen. Ich möchte männlicher Gewalt vorbeugen. Meine Idee ist, wenn ich da durchkomme, kommst du da auch durch. Wenn ich Therapien und Wege suche, um den Schmerz zu lindern, könnt ihr das auch. Das Theater ist mein Weg.

01:58:41 Auch sie wollen etwas gegen Gewalt gegen Frauen tun. Die Hauptnachrichtensendung im staatlichen spanischen Fernsehen eröffnet die Sendung mit einem Femizid. Beatriz Martin leitet das Gesellschaftsressort. Für sie und ihr Team ist klar, dass über solche Fälle offensiv berichtet werden muss. Auch zur Abschreckung. Und um auf Hilfen für die Opfer hinzuweisen. Das war nicht immer so.

01:59:07 Beatriz zeigt mir im Schneideraum, was zu Spaniens strenger Gesetzgebung geführt hat. 1997, ein Interview im Sender Canal Sur. Anna Orantes erzählt, dass ihr geschiedener Mann sie jahrelang geschlagen hat. Zwei Wochen später ist sie tot, bei lebendigem Leib verbrannt von ihrem Ex-Mann. Als Anna Orantes nach ihrem Auftritt beim Canal Sur starb, stand Beatriz Redaktion unter Schock.

01:59:34 Niemand war in der Lage, sie zu retten. Damals haben wir und die ganze Gesellschaft begonnen zu verstehen, dass es viele Anaorantes gab und dass etwas getan werden musste, um diese Macho-Gewalt zu stoppen. Spaniens Frauen begehrten auf und erreichten viel. Härtere Strafen, spezielle Strafkammern, Hilfen für Opfer. Später sinkt die Zahl der Femizide um knapp ein Drittel.

02:00:03 Dabei hilft auch die Polizei. Im Revier von Boadilla, einer Vorstadt von Madrid. Esther Muela ist hier die Spezialistin für das System Viojen für Gewalt gegen Frauen. Eine Datenbank, die alle Polizeieinheiten Spaniens vernetzt. Esther befragt zuerst die Opfer. Aus ihren Daten errechnet ein Algorithmus das Risiko.

02:00:24 Die Polizei entscheidet dann, wie sie das Opfer schützt. Eine Alarmmeldung, Handlungsbedarf. Ein Gewalttäter bekommt Freigang aus dem Gefängnis. In dem Fall suche ich sofort im System Viojen nach den hier in unserem Handy gespeicherten Kontaktdaten des Opfers. Und ich informiere die Frau darüber, dass und wie lange ihr Angreifer entlassen wird.

02:00:47 Während des Freigangs bleiben wir mit ihr in Kontakt. Wir fragen sie, wie alles läuft, ob alles in Ordnung ist, ob sie ruhig ist. 116 Opfer betreuen Esther und ihre Kollegen. Wenn sie die Frauen trifft, trägt sie zivil, damit der Täter nichts mitbekommt.

02:01:08 Im spanischen Parlament. Immer, wenn trotz der strengen Gesetze eine Frau ermordet wird, gedenken die Abgeordneten Still der Opfer. 48 Mal im vergangenen Jahr.

02:01:21 In Burgos im Norden Spaniens forschen sie an der Uni seit fünf Jahren intensiv zur Prävention von Femiziden. Ein Ergebnis? Krankenhauspersonal muss mehr über Gewaltopfer wissen. Silvia Ubillos hat deshalb mit ihrem Team einen speziellen Kurs für die Studierenden entwickelt. Es geht darum, bestimmte Signale bei Patientinnen zu erkennen. Rollenspiel mit Krankenpfleger Fran und Patientin Sarah. Sarah wird nervös.

02:01:51 Ihr Partner daheim weiß nicht, wo sie ist. Er will immer wissen, wo ich bin, aber das ist ja normal in einer Partnerschaft. Kontrolle. Häufig eine Vorstufe von Gewalt. Jetzt wird analysiert.

02:02:07 Das Schwierigste für sie ist, ihre Unsicherheiten und Zweifel zu überwinden. Sie wissen nicht, wann der beste Moment ist und wie sie bei der Patientin nachfragen sollen. Aber das ist wichtig. Was sie auch lernen müssen, wo ihre Grenzen sind. Also wann sie Psychologen oder Sozialarbeiter hinzuziehen sollten.

02:02:28 Wir treffen Pamela in Madrid wieder kurz vor ihrem nächsten Auftritt. Spanien hat viel für Gewaltopfer getan, seit sie eines war. Noch immer stört sie, dass manchen Opfern nicht geglaubt wird.

02:02:43 Ich hatte rote Rastalocken und Piercings. Ich entspreche nicht dem Opferstereotyp. Viele erwarten einen eher so. Das steckt in den Köpfen, auch bei denen, die entscheiden, ob du ein Opfer bist. Egal wie viele Gesetze es gibt, dafür fehlt das Bewusstsein. Und so spielt Pamela weiter. Für mehr Aufmerksamkeit und weniger Opfer.

02:03:10 Und da ist Christina. Hi, schön, dass du da bist. Wir schalten live nach Madrid. Danke, dass du die Zeit genommen hast. Und hier schreibt jemand toller Beitrag im Chat. Und wäre das eventuell auch eine Option für die Tagesschau? Da geht es darum, denke ich, dass die Femizidnachrichten als Aufmacher gesendet werden.

Spanien als Vorbild im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen: Ein umfassendes Gesetzespaket und gesellschaftliches Umdenken

02:03:34

02:03:34 Ja, was würdest du sagen, unterscheidet denn die spanische Politik von der Deutschen? Kann man sagen, welche Maßnahmen da besonders gut greifen? Also was die spanische Politik von der Deutschen?

02:03:47 Einerseits ganz groß unterscheidet ist, dass die ja dieses Gesetzespaket, was dazu geführt hat, dass es diese ganzen Maßnahmen gibt, schon vor 25 Jahren beschlossen haben. Nach diesem besonders grausamen Fall und den ganzen Protesten von den Frauen damals wurde dieses Gesetzespaket beschlossen.

02:04:07 Und es wurde vor allem fraktionsübergreifend beschlossen, ohne Gegenstimmung. Und das, obwohl die spanische Politik wirklich zwischen rechts und links extrem polarisiert ist. Also hier ist auch zum Beispiel eine große Koalition völlig undenkbar. Und trotzdem haben die alle zusammen das verabschiedet. Und das Ganze ist so eine Mischung aus harten Strafen.

02:04:28 Prävention und auch Hilfen für die Opfer. Also zum Beispiel bekommen Frauen auch monatliche Zahlungen, wenn sie sich vom Täter, wenn es zum Beispiel der Ex-Mann oder der Ex-Lebensgefährte war, wenn sie sich trennen wollen und wieder auf eigenen Füßen stehen wollen. Auch dafür gibt es finanzielle Hilfen. Dann gibt es spezielle Gerichte für geschlechterspezifische Gewalt. Dann gibt es eigene Polizeieinheiten. Wir haben die Polizistin Esther gesehen.

02:04:57 Das ist die Fachfrau in dieser winzigen kleinen Polizeieinheit, in der wir da gedreht haben. Jedes Polizeipräsidium hat im Prinzip so jemanden, der sich in dieser Datenbank und diesem System Biochen auskennt. Und diese Datenbank ist auch noch in allen Provinzen, also vergleichbar mit unseren Bundesländern, vernetzt, sodass auch wirklich ein Fall, der ganz im Norden von Spanien registriert ist, wenn die Frau dann irgendwie in den Süden fährt und da bedroht wird, dann hat...

02:05:25 auch da die Polizei Zugriff auf ihre Daten. Das alles sind so die Vorschriften, die es gibt. Und ehrlich gesagt, was mich bei unseren Dreharbeiten total beeindruckt hat, ist, dass die Spanierinnen es geschafft haben, dieses Thema komplett aus der Tabuzone rauszuholen, so in die Öffentlichkeit zu bringen, dass eben in den Nachrichtensendungen das nicht als Randnotiz auftaucht, sondern als Aufmacher in der Hauptnachrichtensendung.

02:05:51 Und mich hat ehrlich gesagt persönlich auch wirklich diese große Geste der Parlamente gegenüber den Opfern beeindruckt mit der Schweigeminute. Wir haben es auch gesehen in einem kleinen Ort, da gehen dann einfach alle Rathausmitarbeiter vor die Tür und machen so eine Schweigeminute. Das finde ich stark. Wäre das eine Idee für das Berliner Abgeordnetenhaus? Das wäre eine Idee. Ich werde das definitiv ansprechen. Ich weiß nicht, wie die Duk-Meldungen sein können, aber das ist auf jeden Fall schon mal etwas, was ich mitnehmen kann.

02:06:20 Es wird ja ganz gerne hier bei Maßnahmen gesagt, zum Beispiel die Fußfessel A, das funktioniert in Spanien, das sollten wir machen. Kann man denn sagen, welche der Maßnahmen tatsächlich besonders gut wirken oder ist es so, wie du beschreibst, dieses Gesamtpaket, also diese vielen Einzelnen, die zusammenwirken?

02:06:36 Ja, ich glaube eher das, was du jetzt gesagt hast, das Zusammenspiel. Ich traue mir nicht zu, jetzt zu sagen, welche von den Maßnahmen besonders gut wirkt. Und es gibt auch durchaus immer mal wieder Kritik an Maßnahmen, zum Beispiel an diesem Algorithmus, der in diesem Bio-Chen-System drinsteckt. Dann fühlen sich auch Frauen manchmal nicht richtig behandelt von dem Algorithmus und sagen,

02:06:59 Ich hätte da eigentlich mehr Schutz verdient. Also es gibt durchaus auch Dinge, die da kritisch diskutiert werden. Aber die Zahlen sprechen dafür, dass es irgendwie wirkt. Es gab, Moment, ich muss nachgucken, 2004 72 Femizide und im vergangenen Jahr 2024 gab es 48. Das sind die Zahlen, die innerhalb von Paarbeziehungen oder auch beendeten Paarbeziehungen passiert sind. Die Zahl ist.

02:07:27 in den letzten 10, 15 Jahren ungefähr gleich geblieben. Immer so 50 plus minus. Aber gegenüber den 72, 2004 ist das schon ein deutlicher Rückgang. Und diese Zahlen stehen übrigens auch jedes Jahr in dem Bericht zur geschlechterspezifischen Gewalt. Und den veröffentlicht Spanien seit 2007. Bei uns gibt es sowas seit dem vergangenen Jahr. Also auch da ist Spanien einfach schon viel, viel länger aktiv gewesen.

02:07:56 Ich habe in Spanien, ich habe bei Spanien auch immer oft das Gefühl, dass die da um einiges weiter sind, was Frauenrechte angeht. Da, soweit ich weiß, mehr Frauen auch mitbestimmen können in der Politik, dass die Frauenquote da um einiges höher ist. Ich meine, dass sie sogar mal 60 Prozent war.

02:08:15 Würden Sie auch sagen, dass das vielleicht mit reinspielt, dass Betroffene zu Wort kommen und eine Stimme bekommen, eine Bühne bekommen und mitsprechen können? Dass es eben nicht, wie es so oft leider in der Politik ist, dass Männer, die vielleicht einfach in einer privilegierten Position sind und vieles gar nicht nachvollziehen können, dann über solche Gesetze bestimmen, dass wir Betroffene mehr in der Politik auch mitentscheiden sollten, dass das mit reinspielt? Also für die jetzt...

02:08:42 Für die aktuelle Regierung mag das gelten. Da sind wirklich sehr viele Frauen Ministerinnen und auch auf der nächsten Ebene sind da sehr viele Frauen aktiv in der Politik und auch in der Wirtschaft gibt es viele weibliche Führungskräfte. Aber die Regierung, die linke Minderheitsregierung, die im Moment gerade dran ist mit dem Ministerpräsidenten Pedro Sanchez.

02:09:04 Die hat ja damals noch nicht regiert zum Beispiel, als das Gesetz verabschiedet wurde. Von daher, seitdem gab es eigentlich immer wieder wechselnde Regierungen zwischen links und rechts. Aber die aktuellen unterstützen es. Genau. Auf jeden Fall. Und die Frauen sind auch selber von sich aus halt sehr, sehr aktiv. Also mein Eindruck ist, dass es einen viel größeren...

02:09:28 wirklich gesamtgesellschaftlichen Konsens über die Wichtigkeit dieser Gesetze zum Beispiel auch gibt. Dazu gibt es eine Frage aus dem Chat. Am 8. März, ganz kurz, jedes Jahr am 8. März ist ja der Weltfrauentag und da wird auch immer wieder für die Rechte der Frauen demonstriert und zwar nicht nur irgendwie mit 1000 Leuten, sondern das sind dann Zehntausende, die auf die Straße gehen und das sind auch ziemlich viele Männer, wie ich finde. Ich habe mir das jetzt schon mehrmals angeguckt und bin da echt immer wieder beeindruckt von.

02:09:55 Entschuldige, genau das sagt nämlich hier auch jemand in den Kommentaren. Ich habe selber in Spanien gelebt und die Awareness dort ist eine ganz andere. Wir hatten schon in der Schule, also in Spanien, Projektwochen rund um den 8. März, so wie du es beschreibst. Sie sind viel weiter als wir. Und hier eine Frage. Gibt es in Spanien dann noch die gleichen Widerstände und Abwehrreaktionen wie bei uns in Deutschland? Also könnte man fragen, sind die feministischer, die Spanierinnen und Spanier, als die Deutschen?

02:10:23 Also sagen wir so, es gibt durchaus auch Abwehrreaktionen und ich habe das mit meinen Töchtern auch viel diskutiert hier, die sagen auch zum Teil in der Schule, haben sie den Eindruck, dass es da schon auch bei den Jungs einen gewissen Machismo gibt, nicht bei allen, aber dass es durchaus auch vorhanden ist.

02:10:41 Aber trotzdem glaube ich, dass die spanischen Frauen auch sehr stolz auf ihren Feminismus sind und das auch sehr nach außen tragen. Also kleine Beobachtung aus meinem persönlichen Alltag, als ich hierher gezogen bin.

02:10:54 Zeigte mir eine Maklerin verschiedene Wohnungen und in dem Gespräch, was wir so unterwegs geführt haben, meinte sie dann so, wir sind doch sowieso viel emanzipierter als ihr. Und da bin ich echt erst mal so ins Grübeln geraten. Ich habe auch so überlegt, also wie viele Frauen sagen denn bei uns auch so ganz klar, ich bin Feministin. Ja, also das ist, glaube ich, hier viel selbstverständlicher. Das fand ich schon mal so als Alltagsbeobachtung sehr, sehr interessant. Das hat ja nicht diese Negativkommunik.

02:11:22 Konnotation der Feminismus. Ja, spannend. Ich schaue noch mal, ob es hier Fragen konkret dazu gibt. Nein, eher was Abschließendes. Und ich würde dann gerne auch eine Schlussrunde starten. Vielen Dank, Christina.

Schlussrunde: Prävention, Bildung und die Notwendigkeit, frühzeitig anzusetzen

02:11:48

02:11:48 kurz nach Spanien schauen konnten, aber es war total spannend zu sehen, dass es hier offenbar wirkt. Also es gibt Maßnahmen, die offenbar helfen. Deswegen, genau, kurze Schlussrunde. Einmal Herr Hertha, Carina, gerne, wollt ihr noch was loswerden zu dem Thema? Und sonst, Christina, genau, vielen Dank. Vielen Dank an euch, dass ihr dabei wart. Ja, ich will nur noch vielleicht einen ganz kurzen Satz nur sagen, und zwar, dass halt die Prävention super wichtig ist, weil wir immer so tun.

02:12:15 als würden Männer irgendwann im Erwachsenenalter zu dieser Gefahr dann neigen und zu dieser entsprechenden Tat dann neigen, sondern es fängt halt ganz früh an, wir müssen das halt ernst nehmen und es fängt wieder mal an mit dem fehlenden Geld in Bildung. Richtig.

02:12:35 Und ich glaube sogar, dass es im Kindergarten schon anfangen kann, dass man kindgerecht da anfängt aufzuklären. Das hatte ich letztens im Stream auch schon gesagt.

02:12:48 Das ist ja wirklich, da muss man nur in ein Geschäft gehen und sich Babystrampler schon angucken. Es sind auf den Mädchenstramplern sind immer die süßen gejagten Tiere, die des Mäuschen, des Häschen und bei den Jungs ist alles schön blau. Der Dino, der Tiger, die Gefährlichen, die Jäger halt und auch was Berufe angeht. Wir haben ja einen riesen Unterschied da immer noch, was Geschlechter angeht und das wirklich von klein auf. Es wird uns so in die Wiege gelegt.

02:13:17 natürlich Muster, die dann umso älter man wird, natürlich auch immer schwieriger rauszubekommen ist und deswegen ist glaube ich gerade so Kindergarten, Schule, weiterführende Schule, das ist unfassbar wichtig, dass da mehr Geld reingesteckt wird, da auch sich an die Welt angepasst wird, weil super viel spielt sich halt in Social Media ab, gerade für junge Menschen, es wird immer mehr, jetzt gerade durch Corona und AI und die ganze Social Media Welt, es wird nicht weniger und da muss glaube ich die Politik einfach wirklich

02:13:46 hinterher sein, dass da wirklich ganz früh am Kern angesetzt wird, um Täter sein zu verhindern und auch Opfer zu schützen, dass die Dynamiken offengelegt werden, erklärt werden, dass junge Menschen diese Dynamiken erkennen können. Herr Hertha, ich habe vielleicht noch einen Tipp für Sie.

02:14:07 Die hatten ja da an der Uni gedreht mit Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern und an dem Lehrstuhl hat die Professorin mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch ein weiteres Projekt gehabt. Die haben so Videos gedreht mit Laien-Schauspielern und so klassische Situationen wie in der Paarbeziehung, wo so Warnsignale sind, wenn der Mann die Frau extrem kontrolliert und so das.

02:14:31 wurden so nachgestellt und mit diesen Videos wollten sie dann an Schulen gehen. Das fand ich auch ganz spannend. Ja, also haben sie gerade mit angefangen. Ja, fand ich ganz spannend als Idee. Dankeschön. Vielen Dank an euch. Schönen Abend noch. Danke sehr. Wir haben zwei Stunden gesprochen. Wie in einer Minute. Genau.

02:14:58 Ja, dass es offenbar noch an vielen Stellen fehlt. An Prävention, Frauenhäusern, Täterarbeit. Wir haben darüber gesprochen, wie wichtig es ist, hinzuschauen, auch als Freunde, als Nachbarn.

02:15:15 Genau. Und ich bedanke mich recht herzlich bei Ihnen für die Diskussion. Zwei Stunden. Danke, dass ihr dabei wart. Und morgen Abend kommt hier Mixtalk.

02:15:29 Freunde von Mixtalk seht ihr von der Videoplattform zur gehypten Jugendkultur 20 Jahre, nachdem das erste YouTube-Video hochgeladen wurde. Checkt Mixtalk mit bekannten Gesichtern aus der Szene und euch, wie hat sich die Plattform entwickelt und war früher wirklich alles besser. Genau, das erwartet euch morgen hier und wir sehen uns dann in zwei Wochen wieder. Schönen Abend. Tschüss.