Politik & wir ! Wehrpflicht vor GTA VI: Wärst Du dabei? Roderich Kiesewetter (CDU) & Influencer Simon David Dressler
Wehrpflicht-Debatte: Politik und Jugend im Streit um Deutschlands Zukunft
Die Sendung „Politik und Wir“ beleuchtet die kontroverse Debatte um die Wehrpflicht. Während Politiker wie Roderich Kiesewetter (CDU) mehr gesellschaftliches Engagement fordern, lehnt Influencer Simon David Dressler eine Zwangsdienstpflicht ab. Die Diskussion kreist um die Frage, ob Deutschland eine Wehrpflicht benötigt, wie gerecht diese wäre und welche Rolle junge Menschen in diesem Prozess spielen sollen.
In der Bundespolitik wird wieder über eine Rückkehr der Wehrpflicht diskutiert. Doch wie steht ihr dazu? Wärt ihr bereit, mitzumachen? Und wäre das überhaupt fair? Alternativ gäbe es auch ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr bei der Bundeswehr oder in sozialen Einrichtungen. Darüber reden wir bei „Politik & wir“ mit euch, Roderich Kiesewetter (CDU), Simon David Dressler (Politik-Influencer), Annabell Günther (Reservistin), Wolf Gregis (Veteran), Judith Busse (Deutsche Friedensgesellschaft), Gabor Halasz (ARD-Hauptstadt-Korrespondent) und @paplonerudaxd
Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht
00:10:04Die Sendung „Politik und Wir“ der ARD diskutiert das mögliche Comeback der Wehrpflicht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius eine Rückkehr zum freiwilligen Wehrdienst plant. Es wird erörtert, was passiert, wenn sich nicht genügend junge Menschen freiwillig melden und ob dann eine Wehrpflicht, möglicherweise durch Losverfahren, eingeführt werden könnte. Die zentrale Frage ist, wie gerecht eine solche Reform wäre und ob Deutschland überhaupt wieder eine Wehrpflicht benötigt. Im Studio sind dazu Simon David Dressler, ein 26-jähriger Influencer und Linguistik-Student, der sich als progressiver Populist bezeichnet und gegen die Wehrpflicht ist, sowie Roderich Kiesewetter, ein 62-jähriger CDU-Bundestagsabgeordneter und Oberst außer Dienst der Bundeswehr, der mehr gesellschaftliches Engagement fordert, notfalls auch durch Verpflichtung. Kiesewetter betont jedoch, dass Freiwilligkeit an erster Stelle stehen sollte, aber wenn diese nicht ausreicht, eine Verpflichtung in Betracht gezogen werden muss. Er kritisiert eine „Nehmermentalität“ in der Gesellschaft und das abnehmende Engagement in Freiwilligendiensten wie Feuerwehr oder THW.
Interessenkonflikt zwischen Staat und Individuum bei der Wehrpflicht
00:12:38Simon David Dressler erläutert seine Ablehnung der Wehrpflicht damit, dass sich seine persönlichen Interessen und die des Staates im Kriegsfall widersprechen könnten. Sein primäres Interesse sei es, am Leben zu bleiben, während das Interesse des Staates in erster Linie die Bewahrung seiner Souveränität und territorialen Integrität sei, wofür der Staat bereit sei, seine Bürger zwangsweise zu rekrutieren. Dies empfindet er als eine unannehmbare Unfreiheit. Im Chat wird eine Umfrage durchgeführt, bei der die Mehrheit der Zuschauer gegen die Wehrpflicht stimmt. Es wird auch die Angst junger Menschen vor einer möglichen Einberufung thematisiert, die durch Missverständnisse über die Pläne zur Wehrpflicht verstärkt wird. Roderich Kiesewetter zeigt Verständnis für diese Ängste und erklärt, dass das Land sich 15 Jahre lang nicht mit dem Thema beschäftigt habe, seit die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde. Dabei sei nicht nur die militärische Erfassung, sondern auch der Zivildienst und der Bevölkerungsschutz vernachlässigt worden. Er betont, dass es nicht um eine Wehrpflicht im traditionellen Sinne gehe, sondern um eine Ausweitung des Freiwilligendienstes oder ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr mit Wahlmöglichkeiten, wovon ein kleiner Teil die Bundeswehr sein könnte. Dies würde auch Frauen einschließen und könnte die Gesellschaft insgesamt resilienter machen.
Jugendbeteiligung und die Generation der 'Geber'
00:20:01Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, kritisiert das Fehlen von Jugendbeteiligung bei der Debatte um die Wehrpflicht. Er betont, dass die Politik junge Menschen nicht ausreichend in den Entscheidungsprozess einbezogen hat, obwohl es um ihre Zukunft geht. Er fordert, dass man mit jungen Leuten reden und ihre Perspektiven berücksichtigen muss, insbesondere wenn man etwas von ihnen verlangt. Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Deutschen für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ist, jedoch gibt es einen deutlichen Altersunterschied: Während ältere Generationen die Wehrpflicht befürworten, sind 63 Prozent der 18- bis 29-Jährigen dagegen. Gärtner bezeichnet seine Generation als 'Gebergeneration', die ständig geben muss (Rente, Klima), aber wenig zurückbekommt. Er verweist auf die schlechte Bildungspolitik und mangelnde Investitionen in Schulen sowie die unzureichende Unterstützung für die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, die besonders unter den Lockdowns gelitten haben. Er argumentiert, dass die Gesellschaft mehr zurückgeben muss, als sie von den jungen Menschen verlangt. Simon David Dressler stimmt dem zu und teilt seine Erfahrungen aus der Pandemie, in der er sein Bachelorstudium online absolvieren musste und viele Kommilitonen abbrachen. Er sieht die geringe demografische und demokratische Rolle junger Menschen in Deutschland als Ursache dafür, dass ihre Interessen oft vernachlässigt werden.
Grundlegende Meinungsverschiedenheiten über Staatlichkeit und Pflicht
00:27:57Die Diskussion vertieft sich in die grundlegenden Auffassungen von Staatlichkeit und Bürgerpflichten. Simon David Dressler stellt die Frage, ob eine Wehrpflicht auch dann gerechtfertigt wäre, wenn Schulen saniert und mentale Gesundheitssysteme optimal wären. Er verneint dies, da der Staat im Kriegsfall nicht primär das Leben seiner Bürger schützt, sondern seine eigene Souveränität. Er kritisiert den konstruierten 'Wir-Begriff' des Staates, der Menschen aufgrund geografischer Grenzen zu potenziellen Feinden macht. Dressler betont, dass seine Identifikation mit einem Politiker wie Friedrich Merz, der nicht seine Altersgruppe oder Steuerklasse teilt, nicht ausreicht, um ein 'Wir' zu konstruieren, das stark genug ist, um das Leben für den Staat zu opfern. Roderich Kiesewetter widerspricht dem vehement und verweist auf die Überwindung alter Erbfeindschaften in Europa durch EU und NATO. Er betont, dass es darum geht, äußere Bedrohungen abzuwehren und durch Verteidigungsbereitschaft Kriege zu verhindern. Er zieht Parallelen zur Ukraine, wo Menschen nicht aus Spaß kämpfen, sondern um Vergewaltigung, Kindesentführung und Zwangsdienst zu entgehen. Kiesewetter argumentiert, dass ohne den Willen zur Verteidigung Staaten wie die Ukraine untergehen würden. Er selbst hat geschworen, die Bundesrepublik Deutschland zu verteidigen und sieht dies als eine Verpflichtung an, die die Würde des Menschen schützt und verhindert, dass sich die Geschichte wiederholt. Quentin Gärtner, der sich persönlich bereit erklärt hat, sein Land im Falle eines Angriffs zu verteidigen, betont, dass eine wehrhafte Demokratie nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland verteidigt werden muss. Er kritisiert, dass die Politik die Einbindung junger Menschen oft verschläft und nur reagiert, wenn diese laut werden. Er wird jedoch in der Expertenkommission zur Wehrpflicht mitdiskutieren und dort die Perspektive der Jugend einbringen. Er betont, dass Verteidigungsfähigkeit nicht nur eine starke Armee bedeutet, sondern auch eine resiliente Gesellschaft, die durch Bildung und mentale Stärke widerstandsfähig gegenüber Desinformation ist.
Historischer Rückblick und die Aussetzung der Wehrpflicht
00:46:57Die Diskussion beleuchtet auch die Geschichte der Wehrpflicht in Deutschland. 1956 beschloss der Bundestag die Einführung der Wehrpflicht für Männer ab 18 Jahren, die 1957 in Kraft trat und zunächst zwölf Monate dauerte. Aus Gewissensgründen konnte der Dienst verweigert und ein Ersatzdienst geleistet werden. In der DDR wurde die Wehrpflicht 1962 für Männer zwischen 18 und 26 Jahren für 18 Monate eingeführt, zunächst ohne Ersatzdienst. Im wiedervereinigten Deutschland wurde die Dauer des Wehrdienstes bis 2010 auf ein halbes Jahr reduziert, bevor die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt wurde. Roderich Kiesewetter, der damals bereits im Bundestag saß, erklärt, dass die Aussetzung der Wehrpflicht verschiedene Gründe hatte. Die Bundeswehr benötigte nur noch 50.000 Soldaten pro Jahr, während 330.000 Männer wehrfähig waren. Davon leisteten 100.000 Zivildienst und nur 50.000 Wehrdienst. Die restlichen 180.000 wurden als 'untauglich' eingestuft, was zu einer Ungerechtigkeit führte, die vor Gericht nicht standgehalten hätte. Kiesewetter räumt ein, dass die Aussetzung der Wehrpflicht ein Fehler war, da damit auch die gesamte Erfassung und Musterung aufgehoben wurde. Er hatte damals eine Idee für einen sechsmonatigen Miliz- bzw. Gesellschaftsdienst für alle, auch für Frauen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Er betont, dass die aktuelle Debatte nicht über eine traditionelle Wehrpflicht, sondern über eine 'Auswahlwehrpflicht' oder ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr geführt werden sollte, um die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit zu vermeiden und die Gesellschaft insgesamt zu stärken.
Diskussion über Wehrpflicht und Geschlechtergerechtigkeit
00:50:12Es wird eine Ungerechtigkeit in Bezug auf die Wehrpflicht thematisiert, da Frauen nicht einbezogen werden, obwohl dies im Februar nicht umgesetzt werden konnte, weil CDU und SPD dies ablehnten. Nur die CSU war für die Einbindung von Frauen in einen möglichen Wehr- oder Gesellschaftsdienst. Dies führt dazu, dass die Debatte sich wieder auf Männer konzentriert und die Anzahl der potenziellen Dienstleistenden gering bleibt. Eine Änderung, die Frauen einschließt, würde eine Zweidrittelmehrheit erfordern, während die Wiedereinführung der Wehrpflicht für Männer mit einfacher Mehrheit möglich wäre. Es wird kritisiert, dass die Zeit nicht genutzt wurde, um einen vernünftigen, auf Freiwilligkeit basierenden Gesellschaftsdienst aufzubauen, der eine große Auswahl an Möglichkeiten bieten könnte. Die aktuelle Deckelung auf 80.000 Wehrdienstleistende bei 800.000 Menschen eines Geburtsjahrgangs wird als bedauerlich empfunden, da viele junge Menschen bereit wären, sich einzubringen, wenn entsprechende Angebote vorhanden wären.
Regierungspläne zur Wehrpflicht und Koalitionsstreit
00:52:23Verteidigungsminister Pistorius hatte ursprünglich geplant, ab nächstem Jahr alle 18-Jährigen mit einem Fragebogen zu kontaktieren, um deren Interesse und Fitness für den Wehrdienst abzufragen. Ab Mitte 2027 sollten dann alle 18-jährigen Männer gemustert werden, mit dem vorrangigen Ziel eines freiwilligen Wehrdienstes. Es gibt jedoch erheblichen Streit innerhalb der Regierungskoalition bezüglich des Ausmaßes der Pflicht. Während Pistorius auf Freiwilligkeit setzt und hofft, dass sich genügend junge Menschen melden (etwa 5.000 pro Jahr), fordert die Union klare Zahlen im Gesetzentwurf und einen Automatismus zur Wiedereinführung der Wehrpflicht, falls die Freiwilligenzahlen nicht ausreichen. Die Community wird um ihre Meinung zu diesem politischen Hin und Her gebeten, das an frühere Ampel-Koalitionsstreitigkeiten erinnert. Der Korrespondent Gabor Hallers vom ARD Hauptstadtstudio wird hinzugezogen, um die Hintergründe des Streits zu erläutern.
Kontroverse um Losverfahren und Gerechtigkeit bei der Musterung
00:54:35Es gab auch Diskussionen um ein Losverfahren, das die Union vorschlug, um zu bestimmen, wer gemustert wird. Dies überrascht, da man erwarten würde, dass die Union eine flächendeckende Musterung befürwortet, wie sie Pistorius perspektivisch plant. Das Problem liegt in den abgebauten Strukturen wie Kreiswehrersatzämtern, Kasernen und fehlenden Ausbildern, die eine sofortige flächendeckende Musterung erschweren. Die Union argumentiert, dass ein Losverfahren eine gerechte Lösung wäre, da jeder junge Mann die gleiche Chance hätte, zur Musterung oder zum Wehrdienst herangezogen zu werden, da nicht alle 300.000 jungen Männer eines Jahrgangs eingezogen werden können. Roderich Kiesewetter (CDU) kritisiert diesen Vorschlag als Denkfehler und unwürdig, insbesondere da Pistorius ab 2027 eine flächendeckende Musterung für 1.500 Personen vorsieht. Er betont, dass ein Losverfahren bei der Musterung, die Fragen von Leben und Tod berührt, abwegig sei und hofft auf eine Nachjustierung des Plans.
Recht auf Kriegsdienstverweigerung und Staatsverständnis
00:58:33Die rechtliche Zulässigkeit eines Losverfahrens wird diskutiert, wobei die Argumentation, dass die Chancen für jeden gleich sind, als potenziell tragfähig angesehen wird. Es wird jedoch betont, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung im Grundgesetz verankert ist und nicht gegen den Willen zur Bundeswehr gezwungen werden kann. Simon David Dressler kritisiert, dass dieses Recht vom Staat gewährt wird und seine persönlichen Gründe für eine Ablehnung nicht berücksichtigt würden, da es sich um Gewissensgründe handeln müsse. Er äußert Bedenken, dass der Staat im Kriegsfall dieses Grundrecht modifizieren könnte, um seine Integrität zu wahren. Roderich Kiesewetter widerspricht dem und betont, dass die ersten 20 Artikel des Grundgesetzes, einschließlich des Artikels 4.3 zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung, eine Ewigkeitsgarantie haben und nicht geändert werden können. Er hebt hervor, dass der Artikel 4.3 explizit zum Schutz von Menschen eingeführt wurde, die wegen ihrer Verweigerung im Nationalsozialismus ihr Leben verloren haben, und dass der Staat als Rechtsstaat diese Rechte verteidigen muss, auch wenn dies im Extremfall eine Selbstauflösung bedeuten könnte.
Alternativen zur Verteidigung und Identifikation mit dem Nationalstaat
01:04:39Simon David Dressler wird nach seiner Alternative im Falle eines Angriffs gefragt und antwortet mit Flucht. Er hinterfragt die Prämisse einer unbedingten Einigkeit von Staat und Bürger und sieht sich als Staatsbürger nur bis zu einem gewissen Grad mit Deutschland identifiziert. Er argumentiert, dass es keinen fundamentalen Unterschied zwischen ihm und Menschen in anderen Ländern gibt, auch nicht in Russland oder Palästina. Roderich Kiesewetter betont, dass es um Patriotismus und nicht um Nationalismus geht, wobei Patriotismus die Identifikation mit dem Staat meint. Die Frage nach der Alternative im Extremfall eines Angriffs durch Putin wird erneut gestellt, und Dressler bekräftigt seine Antwort der Flucht. Die Diskussion im Chat dreht sich weiterhin um das Losverfahren, wobei viele eine flächendeckende Musterung fordern und eine Alternative wie ein FSJ oder Bürotätigkeiten in der Bundeswehr vorschlagen. Es wird kritisiert, dass eine Musterung per Los unsinnig ist, wenn man danach immer noch verweigern kann.
Zukunft des Losverfahrens und politische Diskussionskultur
01:08:28Es wird angenommen, dass das Losverfahren aufgrund der vielen Diskussionen wahrscheinlich nicht umgesetzt wird. Stattdessen könnte ein 'Nahbrücker-Verfahren' in Betracht gezogen werden, bei dem die am besten geeigneten Personen für die Bundeswehr ausgewählt werden. Der Diskussionspartner Gabor Hallers begrüßt die offene politische Debatte über dieses schwierige Thema, auch wenn die Art und Weise, wie Gesetzentwürfe kurz vor der Einbringung zerredet werden, als unprofessionell empfunden wird. Er betont, dass es wichtig ist, dass die Politik klar kommuniziert, dass es sich um ein großes und komplexes Thema handelt, für das es keine einfachen Lösungen gibt. Dies würde das Verständnis in der Bevölkerung fördern. Die aktuelle Sicherheitslage wird als ernst eingeschätzt, insbesondere angesichts der Ereignisse in der Ukraine und der Provokationen Russlands. Es wird als naiv angesehen, sich nicht auf mögliche Bedrohungen vorzubereiten, da Putin die NATO testen könnte.
Klarstellung zum Grundgesetz und Attraktivität des Wehrdienstes
01:11:17Es kommt zu einer Klarstellung bezüglich der Änderbarkeit des Grundgesetzes. Während Kiesewetter zuvor sagte, Artikel 4 könne nicht geändert werden, wird korrigiert, dass nur Artikel 1 und 20 sowie der Unveränderbarkeitsparagraf unveränderbar sind. Ein BGH-Urteil besagt, dass Artikel 4 im Kriegsfall modifiziert, aber nicht eingeschränkt werden könnte. Kiesewetter betont jedoch, dass die Gewissensgründe bestehen bleiben und Artikel 4.3 ein Kernbestandteil des Grundgesetzes ist, der zum Schutz von Kriegsdienstverweigerern eingeführt wurde. Max, ein Journalist und Vater von zwei Kindern, schaltet sich in die Diskussion ein. Er bezweifelt, dass junge Menschen begeistert von der Wehrpflicht sind und fordert, den Dienst attraktiv zu gestalten, indem Perspektiven aufgezeigt und gefordert sowie gefördert wird. Er kritisiert, dass er selbst mit 26 ausgemustert wurde und das Musterungsverfahren erneuert werden müsse. Pistorius' Pläne, den freiwilligen Wehrdienst finanziell attraktiver zu machen, reichen Max nicht aus; er fordert Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten, um die Verteidigung des Landes schmackhaft zu machen.
NATO-Vorgaben, Gesellschaftsjahr und die Rolle der Bundeswehr
01:15:46Es wird über NATO-Vorgaben gesprochen, die eine Erhöhung der aktiven Soldatinnen und Soldaten von derzeit 182.000 auf 260.000 bis 2035 und eine Steigerung der Reservisten von 50.000 auf 200.000 vorsehen. Max wird gefragt, was er von einem Gesellschaftsjahr hält, bei dem man zwischen Bundeswehr und sozialen Diensten wählen könnte. Er sieht dies als bereits bestehendes Konzept unter neuem Namen und fordert eine klare Trennung zwischen Dienst an der Waffe und Katastrophenschutz. Für ihn ist die Bundeswehr ein Dienst, der die Bereitschaft zum Kampf und zur Verteidigung des Landes im Kriegsfall beinhaltet. Simon David Dressler lehnt jede Form von Pflicht ab und sieht die Bundeswehr nicht als Beruf wie jeden anderen, da sie im Extremfall das Töten von Menschen beinhaltet. Er lehnt die Verpflichtung ab und hält das Konzept, dem Staat etwas zu schulden, für fragwürdig. Herr Greges, ein ehemaliger Bundeswehrsoldat mit Einsätzen in Afghanistan, befürwortet die Wehrpflicht als Dienstpflicht und Beteiligungsdienst an der Gesellschaft. Er sieht die Debatte als angstgetriggert und betont, dass es nicht um eine Wehrpflicht für alle geht, sondern um ein Freiwilligenmodell oder ein Dienstjahr für Deutschland. Er weist darauf hin, dass die Infrastruktur für eine Massenmobilisierung fehlt und das Durchschnittsalter der ukrainischen Armee bei 43 Jahren liegt, was bedeutet, dass auch ältere Generationen im Verteidigungsfall gefordert wären.
Diskussion über die aktuelle Sicherheitslage und hybride Kriegsführung
01:32:47Roderich Kiesewetter (CDU) äußert seine Besorgnis über die schleichende Veränderung der politischen Wahrnehmung von Frieden zu einem Zustand, der nicht mehr im Frieden, aber noch nicht im Krieg ist. Er kritisiert, dass dies bereits vor zwei bis drei Jahren hätte thematisiert werden müssen, und erinnert daran, wie er selbst als 'Kriegstreiber' bezeichnet wurde, als er vor Putins weiteren Aggressionen warnte. Kiesewetter verweist auf gezielte Tötungen in Deutschland, die Zerstörung von Glasfaserinfrastruktur und Brände von DHL-Containern, die dem russischen Militärgeheimdienst zugeordnet wurden. Er betont, dass diese hybriden Kriegsführungen, einschließlich Anschlägen auf Bahninfrastruktur und Sabotage von Aufklärungssatelliten, bereits stattfinden. Die Frage sei, wie die Bevölkerung ohne Panikmache auf diese Bedrohungen vorbereitet werden kann, da Putin das Schweigen ausnutze, um seine Präsenz zu verstärken. Er hebt hervor, dass Wehrfähigkeit nicht nur militärische Präsenz bedeutet, sondern das Bewusstsein für die Bedrohung von Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung. Kiesewetter kritisiert zudem Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD, die einen Austritt aus NATO, EU und Euro fordern, was bei den Nachbarländern Ängste schüre. Die Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg sei für Deutschland 'nie wieder Krieg', während die Nachbarländer 'nie wieder wehrlos' gelernt hätten. Er plädiert dafür, diese unterschiedlichen Perspektiven zu verstehen und zu einer gemeinsamen Haltung zu finden, die die Sensibilität der Nachbarländer berücksichtigt.
Kontroverse um Angst, Aufrüstung und die Rolle Deutschlands
01:35:45Frau Busse korrigiert die Aussage, dass sie Angst der Menschen schlecht finde; vielmehr verstehe sie die Angst, die durch Deutschlands Aufrüstung in Vorbereitung auf einen Krieg entstehe. Sie argumentiert, dass die Menschen nicht in einen Krieg hineingezogen werden wollen und deshalb gegen die Wehrpflicht sind. Sie bekräftigt, dass Deutschlands Motto 'nie wieder Krieg' richtig sei, da die Geschichte gezeigt habe, welche verheerenden Folgen deutsche Kriegsbereitschaft für die Nachbarländer hatte. Simon David Dressler wirft die Frage nach der Nord Stream-Sprengung auf, die Kiesewetter nicht in seiner Aufzählung hybrider Angriffe erwähnt hatte. Kiesewetter erklärt, dass die Urheberschaft der Nord Stream-Sprengung noch unklar sei und dass es sich um russisches Eigentum in internationalen Gewässern handelte, wodurch kein deutsches Eigentum zerstört wurde. Dressler empfindet die Debatte als zu wenig konkret und kritisiert, dass die Kriegsgefahr in den Medien oft nicht ausreichend konkretisiert werde, was zur Angst der Bevölkerung beitrage. Er fragt Kiesewetter und Herrn Greges, ob ein konventioneller Angriff Russlands auf Westeuropa oder Deutschland wirklich realistisch sei. Herr Greges hält einen großen klassischen Angriffskrieg für unwahrscheinlich, sieht aber das Baltikum im Fokus, wo eine große russische Minderheit lebt, die ähnliche Szenarien wie im Donbass auslösen könnte. Kiesewetter stimmt zu, dass der militärische Krieg in der Ukraine stattfindet, der zivile Krieg mit Sabotage und Zerstörung jedoch auch in Deutschland, begleitet von kognitiver Kriegsführung durch Fake News und Beeinflussung durch Parteien wie AfD und BSW. Er betont, dass Russland zugeschriebene Sachbeschädigungen Milliardenschäden verursachen und Deutschland bisher keine ausreichenden Gegenmaßnahmen ergriffen habe. Das Baltikum-Szenario sei komplex, da viele russischsprachige Bewohner sich dort wohlfühlen und nicht nach Russland zurückkehren wollten.
Realismus eines russischen Angriffs und die NATO-Reaktion
01:38:14Die Frage nach der Realität eines konventionellen russischen Angriffs auf Westeuropa oder Deutschland wird intensiv diskutiert. Herr Greges hält einen großen klassischen Angriffskrieg für unwahrscheinlich, sieht jedoch das Baltikum aufgrund der dort lebenden russischen Minderheit als potenziellen Krisenherd, ähnlich dem Donbass-Szenario. Kiesewetter bestätigt, dass ein ziviler Krieg mit Sabotage und kognitiver Kriegsführung bereits in Deutschland stattfindet, während der militärische Krieg in der Ukraine tobt. Er betont die Milliardenschäden durch russische Sachbeschädigungen und das Fehlen deutscher Gegenmaßnahmen. Dressler weist darauf hin, dass die Angst der Bevölkerung vor einem Angriff auf Deutschland real ist, aber nicht dem Tonus der Nachrichten entspricht. Kiesewetter kontert, dass ein Angriff Russlands auf das Baltikum, wo tausende US-Soldaten stationiert sind, einen Kriegseintritt der USA bedeuten würde, was ein Kräfteverhältnis von 140 Millionen Russen gegen 950 Millionen Westeuropäer und ein Militärbudget von 150 Milliarden gegen 1500 Milliarden Dollar zur Folge hätte. Er argumentiert, dass Donald Trump, der auf Stärke setzt, niemals zulassen würde, dass US-Soldaten getötet oder gefangen genommen werden. Kiesewetter befürchtet jedoch, dass der Westen nicht bereit sein könnte, sich für 'Ost-Estland' zu opfern, was Putin ausnutzen würde. Er kritisiert die langsame Reaktion Europas auf den Kauf von russischem Gas und die fortgesetzte Unterstützung Russlands durch Rüstungsgüter und Chips über China. Kiesewetter betont, dass die baltischen Staaten im Zweifel geopfert werden könnten, wenn Deutschland nicht entschlossener handelt. Herr Greges fügt hinzu, dass die deutsche Debatte eine 'Nabelschau' sei und verweist auf die finnische Perspektive mit 1300 km Grenze zu Russland. Er kritisiert die deutsche Neigung, sich aus allem herauszuhalten, und appelliert an Deutschlands Verantwortung als wirtschaftsstärkste Demokratie Europas. Frau Busse bekräftigt, dass Aufrüstung nicht zum Frieden führt, sondern Abrüstung und Diplomatie. Sie fordert, dass alles getan werden sollte, um einen Krieg zu verhindern, anstatt nur über Verteidigung zu sprechen.
Diplomatie, Verhandlungen und die Rolle der Wehrpflicht für Frauen
01:49:23Roderich Kiesewetter betont, dass sehr viel Diplomatie versucht wurde. Er erinnert an Treffen zwischen Biden und Putin vor dem Krieg, bei denen Putin Ansprüche auf baltische Staaten und die Ukraine geltend machte. Auch Verhandlungen zwischen Selenskyjs Außenminister Kuleba und Lawrow im April 2022, bei denen die Ukraine bereit war, die NATO-Mitgliedschaft und die Krim aufzugeben, wurden von Russland mit Gräueltaten in Butscha und Irpin beantwortet. Kiesewetter kritisiert Trumps Ansatz, der die Ukraine auffordert, Gebiete abzutreten, anstatt Russland zum Rückzug zu bewegen. Er sieht darin keine echten Verhandlungen für ein angegriffenes Land und bezeichnet die deutsche 'Sucht', Hauptsache zu verhandeln, als problematisch, da Russland ohne Waffenstillstand nicht bereit sei. Simon David Dressler sieht sich nicht in der Rolle eines Politikberaters, versteht sich aber als Linker, der Solidarität und Gemeinwohl wichtig findet. Er hinterfragt die Konstellation eines Pflichtjahres, das oft als Lückenfüller für unterfinanzierte Bereiche wie die Pflege diene. Er kritisiert, dass ein Pflichtjahr bei jungen Menschen ansetzt, während die eigentlichen Verursacher von Krisen oft in anderen Positionen sitzen. Er plädiert für ehrenamtliches Engagement, das jedoch nicht den Staat von seiner Verantwortung entbinden dürfe. Annabelle Günther, eine 26-jährige Reservistin, die nach dem Abitur einen freiwilligen Wehrdienst leistete, spricht sich für eine Dienstpflicht für Männer und Frauen aus, da sie keinen Grund für eine geschlechtsspezifische Differenzierung sieht. Sie betont, dass Militär- und Zivildienst auf einer Ebene stehen sollten, um den Bedenken der jungen Generation gerecht zu werden. Annabelle argumentiert, dass Freiwilligkeit allein nicht ausreicht, um die benötigten Personalzahlen zu erreichen. Sie möchte junge Menschen dafür begeistern, für die Werte und Freiheiten des Landes einzustehen, und betont, dass Zivilschutzorganisationen im Verteidigungsfall ebenso wichtig sind wie das Militär. Sie widerspricht dem Lückenfüller-Argument, indem sie auf die Notwendigkeit von ausgebildetem Personal für den Zivilschutz in Friedens- und Kriegszeiten hinweist. Die Diskussion endet mit der Frage, wie man mehr Freiwillige gewinnt und ob das System, in dem Staaten mit 'halbgezogenem Revolver' gegenüberstehen, nicht grundlegend hinterfragt werden sollte.